Der Geist und die Kirche

Gedanken zum Pfingstfest

von Bischof Dr. Roald Nikolai Flemestad
[Herabkunft des Heiligen Geistes:
Kirillo-Belosersk-Kloster, ca. 1500]

Es ist nicht immer einfach, sich mit der Rolle des Heiligen Geistes in unserem Leben als Christen auseinanderzusetzen. Manchmal scheint unsere Auffassung so „hochfliegend“, dass sie unbestimmt — nebulös — wird. In der folgenden kleinen Meditation werde ich versuchen, die Rolle des Geistes in unserem Leben durch drei Fragen zu beleuchten: Wer ist der Geist? Was wirkt der Geist? Wie ist die Beziehung zwischen dem Geist und der Kirche?

Der Heilige Geist

Der Apostel Paulus erklärt: „Der Geist erforscht alles, selbst die Tiefen Gottes. […] So hat auch niemand das innere Wesen Gottes erkannt als nur der Geist Gottes.“ (1Kor 2,10f) Der Apostel Petrus erhellt dies weiter mit der Feststellung, dass „Gott Jesus von Nazareth mit heiligem Geist […] gesalbt hat“ (Apg 10,38). In der Heilsgeschichte wird die Gegenwart des Heiligen Geistes jedoch nicht in personaler Form, sondern mit Hilfe symbolischer Bilder dargestellt. Bei der Taufe Jesu kam auf ihn der Geist herab wie eine „Taube“ (Mt 3,16; Joh 1,32). Beim Pfingstwunder war der Geist zugegen wie ein „gewaltiger Wind“ und in Form von „Zungen wie von Feuer“ (Apg 2,2f).

Was wirkt der Geist für uns?

Dieser Wechsel an Metaphern hilft uns zu verstehen, dass der Geist nicht von sich selbst aus — nicht in eigenem Namen — wirkt. Der Geist bleibt gewissermaßen „anonym“, da er zu uns kommt, um auf Christus als Retter aller Menschen hinzuweisen. Der heilige Johannes zitiert Jesus mit den Worten: „Er wird nicht von sich selbst aus reden, sondern was er hört, das wird er reden“ (Joh 16,13). Auf diese Weise können wir anhand seines Wirkens erkennen, wer der Geist ist: Der Geist ist das Licht, in dem Jesus als der Sohn des Vaters erkannt wird. Der Geist erhält vom Vater die Vollmacht und Kraft, den Sohn mitzuteilen. Daher ist der Geist in der Heilsökonomie gleichzeitig Gottes Geist und der Geist Christi (Röm 8,9).

Der Geist und die Kirche

Im Dienste unseres Heils kommt der Geist zu uns als unser Anwalt, welcher der Welt ihren Irrtum in Bezug auf die Sünde nachweist (Joh 16,7f) und uns an alles erinnert, was Christus die Apostel gelehrt hat (Joh 14,26). Ebenso kommt der Geist „unserer Schwachheit zu Hilfe“ und tritt „mit unaussprechlichen Seufzern“ für uns ein (Röm 8,26). Ferner führt und leitet der Geist die Kirche in ihrem Dienst an der Welt (Apg 10,19f; Apg 13,2).

Während der Geist für uns wirkt und betet, sind wir gleichzeitig aufgerufen, uns in den Dienst des Geistes zu stellen. Der heilige Paulus belehrt uns freiheraus: „Wandelt im Geist“ (Gal. 5,16). Und anderswo ermahnt er uns, „voll Geistes“ zu werden, damit wir „zueinander mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern“ reden und den Herrn preisen (Eph 5,18f). Die „Seufzer“ des Geistes sind „unaussprechlich“, „wortlos“ (Röm 8,26) — ob ihrer Tiefe entziehen sie sich menschlicher Rede; umgekehrt erweckt uns der Geist, damit wir an seiner Statt reden. Die Kirche verleiht dem Geist durch ihr Zeugnis und ihren Lobpreis eine Stimme.

Zum Herrn rufen

In den abschließenden Worten der Bibel wird die Beziehung zwischen dem Geist und der Kirche als Dialog ausgedrückt, wobei der Geist und die Kirche gemeinsam Christus in seiner Herrlichkeit anrufen. „Der Geist und die Braut sagen: ‚Komm!'“ (Offb 22,17) Wenn unsere Zeit zu Ende geht, spricht der Geist Worte des Trostes, um uns zu versichern: „Selig sind die Toten, die im Herrn sterben!“ (Offb 14,13)

Frohe Pfingsten!
+ Roald Nikolai

Bischof Dr. Roald Nikolai Flemestad ist seit 2011 Bischof der Nordisch-katholischen Kirche und zugleich der Missionsbischof für Europa der altkatholischen Union von Scranton.