Ein Beitrag zum Nikolaustag 2023
von Priester Joachim Danz
Lieber Leser!
unvergesslich bleibt mir eine Fahrt von Alanya nach Antalya und von dort nach Demre-Myra. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln „pilgerte“ ich in die Stadt des hl. Nikolaus. Kurvenreich war die Fahrt am Meer entlang in die Stadt des Heiligen. Gut, dass eine Pause mit eingeplant war, ansonsten wäre die Streckenführung beschwerlich geworden. Wunderschön war die lange Fahrt entlang des Meeres trotz Strapazen dennoch. Unbedingt wollte ich nach Myra in die einstige Bischofsstadt eines der bekanntesten Heiligen und Bischöfe. Die historische Kirche, die heute als türkisches Museum geführt wird, ist nicht seine einstige Bischofskirche. Aber an dieser Stelle ist der Vorgängerbau zu finden. So kam ich gleichsam an den Ort, der von den Gebeten des hl. Nikolaus viele Jahrhunderte vorher geheiligt wurde. Ich stand an der Stelle, an der bereits Nikolaus stand und Gebete zum Himmel schickte. Sein griechischer Name zeigt seine Herkunft. Nike ist der Sieg oder auch die Siegesgöttin und laos ist ein altes Wort für Volk. Nikolaus trägt den Siegesnamen, Nikolaus bedeutet Volkssieger. Leider wurde die griechische Endung „os“ im Lateinischen in „us“ verwandelt. Im Deutschen wurde daraus gar „aus“.
Manche Zeitgenossen verweisen ihn am liebsten in den Bereich des Legendären. Kinder, die einfach nichts anderes gehört haben, kennen ihn als Santa Claus, der mit seinem Rentierschlitten am Himmel entlang fährt. Aber die Alte Kirche hat nicht jemand völlig grundlos geehrt. Die Heiligenverehrung des Nikolaus fiel nicht vom Himmel. Hier auf Erden erinnerte man sich in seiner Stadt gerne und dankbar an ihn. Zu Lebzeiten lagen ihm die Bewohner, die ihm anvertraut waren, am Herzen. Er kümmerte sich um sie. Er half, wo er konnte. Davon künden die Legenden.
„Die Wahrheit deiner Werke, Vater und Bischof Nikolaus“
Die älteste Legende ist die der Verurteilung der drei Soldaten oder Feldherren. Sie seien dem Kaiser untreu geworden und hätten gegen seinen Befehl gehandelt. So lautete der Vorwurf. Nichts davon stimmte. Im Traum erschien Nikolaus dem Kaiser und macht ihm die Vorhaltung, er habe Unschuldige zum Tode verurteilt. Sehr anschaulich führt uns das Eingreifen des Nikolaus die Ikone dieser Legende vor Augen. Nikolaus hält mit bloßen Händen das Schwert des Richters und die Soldaten, deren Köpfe unter den Richtblock gespannt sind, werden befreit. Das weltliche Gesetz und das Recht reichen nicht immer aus. Es wird dem Menschen oft nicht gerecht. Hier hätte es zum Tode Unschuldiger geführt. Da trat Gottes Gerechtigkeit auf den Plan, in der Gestalt des hl. Nikolaus. „Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten“(Ps. 1,6). „Gott steht auf der Seite der Gerechten“ (Ps 14,5). Nikolaus verhilft der Gerechtigkeit, die es in der Welt nicht gibt, zum Sieg. Die Soldaten kommen frei. Der historische Zusammenhang dürfte sein, dass die Bischöfe immer mehr staatliche Funktionen übernehmen mussten, so auch die Rechtsprechung. Das römische Reich war nicht mehr so intakt wie ehedem. In etwa dieser Zeit wurde in Mailand Ambrosius zum Bischof gewählt. Getauft war er noch nicht; indessen hatte er Jura studiert.
Auch die Legende der Brotversorgung schildert uns das beherzte Eingreifen des Bischofs. Er handelte mit den Matrosen eine Getreideverteilung aus, um die Hungersnot zu lindern. Die Brotversorgung funktionierte nicht mehr. Panem et circenses, Brot und Spiele, war eine römische Devise. Brot sollte es für alle geben im Imperium Romanum und Spiele zur Unterhaltung. Der Staat aber versagte und Nikolaus regelte für die Bewohner die Brotverteilung.
Ein Vater hatte drei Töchter im heiratsfähigen Alter, aber keine Mitgift. Für den Haushalt war die Frau zuständig. Ohne Leinen, Krüge, Schalen, Vorratsgefäße, etc. konnte sie keinen Haushalt führen. In der Ehe konnte sie kein Geld verdienen, um für einen Hausstand zu sorgen. Sie musste alles mitbringen. Fehlte dafür das Geld, war Prostitution die Alternative. Vor diesem Schicksal bewahrte Nikolaus die Mädchen. Er gab das nötige Geld. Eine Heirat wurde möglich. Nikolaus kümmerte sich um die Seinen.
Befremdlich mag zunächst die Legende erscheinen, die besagt, er habe bereits als Baby das Mittwochs- und Freitagsfasten eingehalten, indem er die Brust seiner Mutter verweigerte. Auch soll er bereits als Säugling aufrecht im Badewasser gestanden haben. Das Fasten steht hier grundsätzlich für das christliche Leben. Nikolaus führte somit das Leben eines Christen, das Leben, das einem Christen entspricht. Nikolaus trug gleichsam als Naturanlage christliches Leben in sich, denn er bemühte sich, vollkommen zu sein wie es der Vater im Himmel ist. Ein Christ braucht nicht zu wanken und umzufallen, selbst dann nicht, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht. Christus ist bei ihm. Christus steht neben ihm. Christus fängt uns auf, wenn unser Leben keinen Halt mehr findet. Nikolaus wusste darum. So führen uns die Legenden das segensreiche Wirken des Heiligen vor Augen. Der historische Hintergrund ist meist nicht ferne.
„Die Wahrheit deiner Werke, Vater und Bischof Nikolaus machte dich für deine Herde zur Regel des Glaubens, zum Vorbild der Milde und Meister der Mäßigung. Deshalb erhieltest du für deine Demut die Erhöhung für deine Armut den Reichtum. Bitte Christus Gott, unsere Seelen zu retten.“
Tropar auf den hl. Nikolaus
„Geh ein in die Freude deines Herrn“
Bis zur Liturgiereform war der Nikolaustag im liturgischen Kalender ein Fest. Leider wurde es auf einen nicht gebotenen Gedenktag reduziert. Das Evangelium, das über Jahrhunderte hinweg vorgetragen wurde, ist das Gleichnis von den Talenten:
„In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern dieses Gleichnis: Ein Mann, der in die Fremde ziehen wollte, rief seine Knechte und übergab ihnen seine Güter. Dem einen gab er fünf Talente, dem anderen zwei, einem dritten eines, jedem nach seiner Fähigkeit. Dann reiste er ab. Sogleich ging der, welcher fünf Talente empfangen hatte, hin, trieb Handel damit und gewann fünf weitere dazu. Ebenso gewann der, welche zwei empfangen hatte, weitere zwei dazu. Der aber eines empfangen hatte, ging hin, grub die Erde auf und verbarg das Geld seines Herrn. Nach langer Zeit kam der Herr der Knechte zurück und hielt Abrechnung mit ihnen. Zuerst kam der, welcher fünf Talente empfangen hatte, er brachte fünf weitere Talente und sprach: Herr, fünf Talente hast du mir übergeben, siehe weitere fünf habe ich dazu gewonnen. Da sprach der Herr zu ihm: Wohlan, du guter und getreuer Knecht, weil du über weniges getreu gewesen bist, will ich dich über vieles setzen, geh ein in die Freude deines Herrn. Dann kam der, welcher zwei Talente empfangen hatte, er sprach, Herr, zwei Talente hast du mir übergeben, siehe, zwei weitere habe ich dazu gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm, wohlan, du guter und getreuer Knecht, weil du über weniges getreu gewesen, will ich dich über vieles setzen, geh ein in die Freude deines Herrn.“
Mt 25,14–23
Der heute bisweilen als „kapitalistisches Evangelium“ bezeichnete Text steht sicher nicht im Neuen Testament, um die Bankwirtschaft anzukurbeln oder als Empfehlung für die Arbeitsweise von Banken zu dienen. Es geht um das Kommen Jesu am Ende der Zeiten. Es geht darum, wachsam zu sein, wenn Christus wiederkommt. „Seid also wachsam. Denn ihr kennt weder den Tag noch die Stunde“ (Mt 25,13). Der Herr im Gleichnis ist Jesus. Es geht um seine Parusie. Auch dem hl. Nikolaus wurde verkündet: „Geh ein in die Freude deines Herrn.“ Nikolaus ist der gute und getreue Knecht, der mit den anvertrauten Talenten gekonnt gewirtschaftet hat. Auch heute lässt sich dieses Evangelium am Nikolaustag in seiner adventlichen Bedeutung gut verwenden.
„Zu Myra wurdest du, Heiliger, eingesetzt als Priester“
Nikolaus lebte das Evangelium Jesu Christi. Er lebte so wie es dem Evangelium entspricht. Auf seine Vollkommenheit spielt auch seine Ikone an. Sein ehrwürdiges Haupt sehen wir auf der Ikone möglichst kreisrund. Der Kreis war in der Antike das Symbol der Vollkommenheit. Nikolaus bemühte sich das Evangelium möglichst vollkommen zu leben. Er ist der Helfer in jeder Not. Gleich dem Guten Hirten ging er dem verlorenen Schaf nach, um es nach Hause zu führen. Auf der Ikone trägt er über dem Messgewand stets die zusätzliche bischöfliche Stola, das Omophorion. Es symbolisiert das verlorene Schaf, das sich der Gute Hirte um die Schultern legt und nach Hause trägt. So ist Nikolaus stets „umhergegangen“, um Verlorene zu retten und ihnen neues Leben zu vermitteln. Oft sind im oberen Teil der Nikolausikone Christus und Maria zu sehen. Sie überreichen ihm seine bischöflichen Insignien und setzen ihn erneut in sein Amt ein, von dem ihm die Arianer abgesetzt hatten. Es ist eine Anspielung auf das erste Konzil von Nizäa 325 und seine Auseinandersetzung mit dem Arianismus. Christus und Maria stehen sprichwörtlich hinter Nikolaus.
Im byzantinischen liturgischen Brauch ist der Donnerstag einer jeden Woche dem Andenken der hl. Apostel und ihrem berühmten Nachfolger Nikolaus gewidmet. In der Segensformel wird er nach slawischem Brauch stets genannt. Auf die Fürbitten „des Bischofs von Myra und Wundertäters zu Lykien […] Christus unser Gott erbarme Dich unser“.
Auch gibt es ein Kontakion für den Donnerstag zu seinem Andenken:
„Zu Myra wurdest du, Heiliger, eingesetzt als Priester, hast, o Frommer, erfüllt das Evangelium Christi, hast deine Seele für dein Volk gegeben und gerettet Unschuldige vom Tode. Deshalb wurdest du geheiligt als der große Eingeweihte der Gnade Gottes.“
Kontakion zum hl. Nikolaus am Donnerstag
Nikolaus lädt uns ein, im Advent an Christus zu denken und uns wachsam auf seine Wiederkunft vorzubereiten. Er lädt uns zu einem christlichen Leben nach dem Evangelium Jesu Christi ein. Ich wünsche Ihnen einen schönen Nikolaustag, vielleicht auch mit Schriftlesung und Heiligenlegende in einer Feier zu Ehren des einstigen Bischofs von Myra.
Am Nikolausabend 2023
Priester Joachim Danz