„Auf Sion, schmücke dein Gemach!“

Die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind. Bild von Dimitris Vetsikas auf Pixabay (gemeinfrei)

Gedanken zum Fest „Mariä Lichtmess“ von J. Danz

1. Das Gesetz ist durch Mose gegeben

Vierzig Tage nach der Geburt unseres Herrn, Heilandes und Gottes Jesus Christus im Fleisch begehen wir ein Fest, das noch einmal das Göttliche Kind in den Mittelpunkt stellt. Sehr frühe Bezeichnungen sind Begegnungsfest (im Osten und im Westen) oder Fest der Reinigung. Es ist ein Fest, das Altes und Neues Testament verbindet. Maria und Josef machen sich auf den Weg zum Tempel, um das Gesetz des Mose zu erfüllen. In den Vesperprophetien des byzantinischen Ritus werden die entsprechenden Schriftstellen gelesen: „Weihe mir alle Erstgeburt!“ (Ex. 13,2). Weitere Verse sprechen davon, dass  der Herr sein Volk aus Ägypten herausführt. Dem Gottesvolk wird jetzt und heute ein neuer Moses gegeben, der sein Volk führt und leitet. Von der Unreinheit der Frau durch die Geburt spricht Lev.12, 1ff. Wenn die Zeit ihrer Reinigung vorüber ist, soll sie zum Offenbarungszelt kommen und eine junge Taube oder Turteltauben opfern. In Num. 8, 16 und 17 sagt Gott, alle Erstgeborenen unter den Israeliten bei Mensch und Vieh habe ich mir geweiht. In der zweiten Prophetie (Jes. 6,1-12) schreibt Jesaja: „Denn den König, den Herrn der Herrscharen, haben meine Augen gesehen“ (Jes.6,5). Jetzt sieht Simeon den Herrn. Er muss deshalb nicht mehr sterben wie Menschen vor ihm, die Gott sahen. Er findet Heil und Rettung. Die dritte Prophetie ist ebenfalls aus Jesaja (Jes. 19, 1-5,12,16,19-21) und gipfelt in den Vers: „Der Herr wird sich den Ägyptern kundtun. Sie erkennen den Herrn an“ (vgl. V. 21). Eben dies geschieht jetzt. Gottes Heil gilt allen. Er ist ein Licht zur Erleuchtung, auch der Heiden. Simeon bekennt dies. Simeon und Hanna erwarten das Kind und begrüßen es. Greis und Messias treffen sich, als Maria und Josef  das gegebene Gesetz erfüllen und  ihre Opfergaben in den Tempel bringen.

2. Ein Gott zum Anfassen

„Simeon nahm ihn in seine Arme und verkündete den Völkern, dass er der Herr über Leben und Tod sei und der Erlöser der Welt“ (Apostichon der Vesper: „Schmücke dein Brautgemach, Sion).

Simeon preist Gottes Heil, das allen gilt. Gott ist Licht für die Heiden und Herrlichkeit für sein Volk Israel (vgl. Lk. 2.22 ff.). Der Herr besucht sein Volk und schafft ihm Erlösung. Auf ewig bestimmt er einen Bund (vgl. Ps. 111,9). Simeon wird zum Gottesträger. Seine Hände werden gesegnet. Nicht nur Menschwerdung und Kreuzestod sind Erlösung. Auch dies ist Erlösung, wenn Gott sich nehmen und tragen lässt: „Lauf Alter. Lauf (…) nimm das Kind in den Thron deiner Arme“, ruft Hesychios im fünften Jahrhundert in einer Predigt zum Tag Simeon zu. Das Kontakion im byzantinischen Ritus fasst zusammen: „Der du den Mutterschoß der Jungfrau durch deine Geburt hast geheiligt und Simeons Hände nach Gebühr hast gesegnet, bist auch jetzt gekommen, um uns Christus Gott zu retten (…).“ Mit Simeon und Hanna begegnet Gott zum ersten Mal seinem Volk. Er begegnet jenen, die an ihn glauben.  Dass Gott alle retten will, beschreibt die Epistel des vierten Jahrhunderts, die in Jerusalem am Begegnungsfest aus dem Galaterbrief vorgetragen wurde: „(…) ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben in Christus Jesus; alle nämlich, die ihr auf Christus getauft wurdet, habt das Gewand Christi angezogen. Da gilt nicht mehr Jude und Hellene, nicht Sklave und Freier, nicht Mann und Frau; denn alle seid ihr eins in Christus Jesus (…)“ (Gal.3,24-29). Das Gesetz ist durch den Glauben überwunden. Sion hat Grund sich zu schmücken. Allen Völkern soll es das Licht kund tun: „Auf, Sion, schmücke dein Gemach,…nun mache allen Völkern kund das Licht, das ihnen leuchten soll.“ (römischer Vesperhymnus)

3. Wem sonst hätte sein Licht leuchten sollen, als denen, die da sind in der Finsternis?

Das Februarfest gehört zu den ältesten und frühen im sich ausbildenden Kirchenjahr. Es wird in Jerusalem bereits im vierten Jahrhundert begangen. Das Datum war Mitte Februar, denn man rechnete 40 Tage ab dem 6. Januar, dem Tag der Theophanie. Es stand  immer im Zusammenhang mit dem Geburtsfest Christi, das ja ursprünglich auch mit dem 6. Januar verbunden war. Die Heiligland Pilgerin Aetheria bezeugt es uns in ihrem Reisebericht aus dem Ende des vierten Jahrhunderts: „Doch der 40. Tag nach Epiphanie wird hier mit allen Ehren gefeiert. Denn an diesem Tag geht die Prozession in die Anastasis und alle ziehen mit und alles wird nach seiner Ordnung mit höchster Festfreude wie beim Osterfest gefeiert.“ Justinian verlegte es in Konstantinopel 542 auf den 2. Februar. 541 war eine Pestzeit zu Ende gegangen. Auch legte er die Kindertaufe verbindlich fest. Evtl. waren dies Hintergründe, um das Fest neu in den Mittelpunkt zu stellen. Das Geburtsfest Jesu am 25. 12. war inzwischen eingeführt. Man zählte nun die 40 Tage ab dem 25.12. Das Begegnungsfest zählt in Byzanz zu den 12 Hochfesten. In Rom wird der 2. Februar seit dem 7. Jahrhundert als Feiertag begangen. Im 5. Jahrhundert wird es in Jerusalem um einen Lucernariumsritus erweitert. Die Stifterin des Kathismaklosters, zwischen Jerusalem und Bethlehem gelegen, die fromme und reiche Matrone Hikelia, regte um 450 an, brennende Kerzen zu tragen. Die Gläubigen Jerusalems ziehen nun gen Bethlehem, um ihren König in seine Stadt zu geleiten. Die Straße von Bethlehem nach Jerusalem wird an diesem Tag zur Prozessionsstraße. Sammelpunkt war vielleicht das Kathismakloster. Die Gemeinde geht dem wahren Licht entgegen und trägt es nach Jerusalem wie Maria das Kind, das Licht, getragen hat. Es ist der erste Besuch Jesu in der Hl. Stadt. Gott selbst, der König aller, kommt in die Stadt. „Er begründet das neue christliche Jerusalem.“ (Hesychios) Der Prophet Habakuk sagte, von Teman her kommt Gott, unter ihm Glanz gleich dem Licht, Strahlen ihm zur Seite (vgl. Hab. 3,3 f.). Dies erfüllt sich nun. Die klugen Jungfrauen nehmen ihre Lampen und machen sich auf zur Begegnung mit ihrem Bräutigam (vgl. Mt. 25,1 f.). Licht aus der Höhe lenkt unsere Schritte auf den Weg des Friedens (vgl. Lk. 1,78 f.). Für die Gläubigen des Jerusalems byzantinischer Zeit war das Kommen Gottes Anlass zu großer Freude und Dankbarkeit.  Die alte römische Liturgie forderte uns im Prozessionsgesang auf: „Schmücke dein Brautgemach, Sion! Christus den König nimm auf. Umfange Maria; sie ist die Pforte des Himmels; ganz ähnlich formulieren es die oben erwähnten byzantinischen Vesperstichiren. Auch uns ruft der frühchristliche Prediger Hesychios zu: „Lauf Alter. Lauf!“ Laufen wir dem Licht entgegen, das uns zu Lichtes Kindern macht! Denn Christus ist „das Licht der Welt. Wer ihm nachfolgt, wandelt nicht in der Finsternis, sondern  hat das Licht des Lebens“ (vgl. Joh. 8,12).

Benutzte Literatur

Brakmann H., Christi Lichtmess im frühchristlichen Jerusalem, Orientalia Christiana Analecta 260, Rom 2000
Egeria, Itinerarium, Freiburg 1995 (= Fontes Christiani, Bd. 20)
Keel O./Küchler M., Orte und Landschaften der Bibel, Bd. 2, Zürich, Einsiedeln, Köln 1982
Lektionar zum Stundenbuch, Freiburg 1978
Vretska Karl, Die Pilgerreise der Aetheria, Klosterneuburg 1958