Glauben — aus eigener Erfahrung

Christus rettet Petrus vor dem Ertrinken: Kathedrale von Monreale, 12. Jh.

Gedanken von Gabriele Gerte

Glaube lässt sich nicht diktieren. Nein, Druck und Zwang haben noch nie etwas Gutes hervorgebracht. Im Gegenteil, sie bringen Elend, Leid und Not. Das trifft auch für den Glauben an den in Jesus menschgewordenen Gott — im nachfolgenden einfach Glauben genannt — zu. Wie aber hat Jesus den Glauben nahegebracht?

Zunächst einmal ist er auf die Menschen zugegangen, egal ob arm und oder reich, ob sündig oder rechtschaffen. Weiter rief er zur Umkehr auf. Was bedeutet dies? Sie, die Menschen, sollten ihr bisheriges Leben aufgeben und ändern. Den Sinn des Lebens nicht im Irdischen suchen, d.h. kein Anhäufen von Geld und Eigentum, kein Machtstreben, keinen falschen Idolen verfallen usw. Dieses Verhalten bringt nichts Gutes, im Gegenteil. Dieses Gebaren bringt nur Unfrieden, Unglück und Verderben für den Menschen und seinen Mitmenschen.

Sodann erzählte Jesus von Liebe, Barmherzigkeit, Gott und Gottesreich. Ja, durch Umkehr, also Änderung des Lebensstils, z.B. Hinwendung und Barmherzigkeit gegenüber seinen Mitmenschen, ändere sich der Mensch zum Guten. Sein hilfsbereites und Gott gefälliges Handeln beschere ihm und seinen Mitmenschen ein besseres und erfüllteres Leben. Und dadurch könne schon auf Erden ein Gottesreich entstehen.

Nein, diktiert hat Jesus den Glauben nicht. Er hat jedoch auf den einen wahren Gott hingewiesen, durch Gleichnisse Gott und Gottes Willen erklärt, verständlich gemacht und nahe gebracht. Jesus lebte nach dem Willen Gottes des Vaters, er war Vorbild und zeigte den Jüngern wie ein gottgefälliges Leben aussehen sollte. Dies beeindruckte die Jünger und auch heute die Menschen sehr. Aber kam und kommt der Mensch dadurch zum Glauben? Ich denke, da muss noch mehr geschehen.

Christus mit Abba Minas: koptische Ikone, 8. Jahrhundert

Der Mensch muss sich mit Jesus befassen, sich auf ihn einlassen und sich ihm öffnen. Er muss lernen in sich zu gehen und in sich hineinzuhören. Tief im Innern kann der Mensch mit Gottes Hilfe erkennen, was gut ist und was ihm gut tut, was schlecht ist und was schlecht für ihn ist. Bei dieser inneren Einkehr, die nur durch Gottes Hilfe und Gnade gelingen kann, gewinnen wir neue Eindrücke — und Glauben kann auf diese Weise entstehen, wachsen und gestärkt werden.

Der Glaube an den in Jesus menschgewordenen Gott, so wage ich zu behaupten, ändert uns und unser Leben. Wenn wir versuchen, Jesus nachzueifern, werden wir zu hilfsbereiteren und barmherzigeren Menschen. (So sollte es jedenfalls sein…) Unser Handeln wird dadurch in jeder Hinsicht beeinflusst. Mit Gottes Gnade machen wir so heilsame Erfahrungen. Diese Erfahrungen stärken uns und unseren Glauben.

Und so Gott will, erfahren wir, dass es da noch mehr gibt, etwas, was unseren Horizont übersteigt, etwas nicht Greifbares, nicht Sichtbares, nicht Erklärbares aber etwas Fühlbares. Wir müssen nur in uns hören und uns darauf einlassen. Eine Messe kann noch so feierlich sein. Was nützt uns dies, wenn wir mit den Gedanken nicht dabei sind und uns nicht bewusst ist, was hier geschieht, was die Lesung, das Evangelium und die Predigt bedeuten. Dann verpassen wir wieder einmal die Chance, in uns zu gehen, nachzudenken und dem Glauben näher zu kommen und sind somit um eine Erfahrung ärmer.

Ja, Glaube kann nicht diktiert und erzwungen werden, aber er kann erfahren werden. Aber um zu erfahren, müssen wir uns darauf einlassen. So ist es unser ganzes Leben, sei es in Beziehungen, in der Arbeitswelt usw. Um Erfahrungen zu sammeln, müssen wir aber auch in Aktion treten, aktiv werden. Wir müssen etwas wagen, überdenken, handeln, probieren, lernen, Wichtiges von Unwichtigem abwägen, unterscheiden, ja, auch manches wieder aufgeben. Dabei werden wir auch manchmal scheitern. So machen wir gute und schlechte, heilsame und verletzende Erfahrungen.

Fazit: Was auch immer wir erfahren, wir dürfen erfahren. Dadurch wachsen und reifen wir. So ist es auch mit dem Glauben. Glaubenserfahrungen lassen den Glauben an den dreifaltigen Gott, der in Jesus Mensch geworden ist, wachsen; der Glaube wird durch Erfahrung gestärkt. In diesem Sinne: Gehen wir das Wagnis ein! Lassen wir uns offen auf Jesus ein, befassen wir uns mit ihm und seinem Handeln, nehmen wir uns ihn als Vorbild — machen wir unsere Erfahrungen mit ihm und lassen uns überraschen, was passiert.