Scranton in Mainz 2023

Nach der Feier der heiligen Eucharistie in der Kapelle des Tagungshauses (Erbacher Hof)

Vom 10.-12. Februar 2023 fand in Mainz die internationale pastoraltheologische Tagung der altkatholischen Union von Scranton statt. Das Tagungsthema lautete: „God be in my thinking“. Zu den internationalen Gästen zählten u.a. Erzbischof Dr. Anthony Mikovsky (Scranton, Pennsylvania; Leitender Bischof der Polnisch-katholischen Nationalkirche Nordamerikas und Erzbischof der Union von Scranton), Bischof Ottar Myrseth (Oslo; Diözesanbischof der Nordisch-katholischen Kirche), Erzpriester Robert M. Nemkovich Jr. (Generalsekretär der Union von Scranton) sowie als anglikanische ökumenische Gäste Bischof Dr. Kevin Donlon, Erzdiakon Dr. Jeremy Boccabello und Pfarrer John A. Needham. Ein herzlicher Dank gilt dem Erbacher Hof (Tagungshaus des Bistums Mainz) für die Gastfreundschaft.

Vor dem Altarraum der Gotthardkapelle (Mainzer Dom)
Tagzeitengebet in der Gotthardkapelle

Plenum
Erzpriester Robert M. Nemkovich Jr., Abt Michael OPR, P. Franz Roman OPR
Gruppenbild mit dem Banner des Fördervereins (Martinuswerk e.V.)

Epiphanie: Gott lässt sich finden!

Anbetung Christi durch die drei Weisen: Giotto di Bondone, Scrovegni-Kapelle, ca. 1303

Ein weiteres frohes Fest!

Wir feiern die Erscheinung des Herrn (griechisch: Epiphanie oder Theophanie): Weil Gott als Mensch in die Menschheitsgeschichte eingetreten ist, können letztlich alle Menschen zu Ihm in eine persönliche Beziehung treten. Die biblischen Lesungen zum Fest aus der Frohen Botschaft (Evangelium) zeigen uns, wie wir Gott finden können: (1) indem wir die Wahrheit suchen und ihr unbeirrt folgen — so wie die Weisen aus dem Morgenland, die ein Stern zum Christuskind führte; (2) indem wir bereit sind zur Umkehr (und zur Neubesinnung auf unsere Taufe) — so wie die Jünger des Johannes, die bei der Taufe Jesu die Offenbarung der heiligen Dreifaltigkeit (Vater, Sohn und Geist) sehen durften; (3) indem wir Gott bitten, unser Leben und das unserer Mitmenschen zum Guten zu verwandeln — so wie bei der Hochzeit zu Kana (welche bereits das Geheimnis der Eucharistie ankündigt). In diesem Sinne: ein frohes, gesegnetes Fest der Epiphanie!

Frohe Botschaft zu Epiphanie

Gott lässt sich finden: Der Stern von Bethlehem

Evangelium zur heiligen Eucharistie an Epiphanie

Als nun Jesus zu Bethlehem in Judäa in den Tagen des Königs Herodes geboren war, da kamen Weise aus dem Osten nach Jerusalem 2und fragten: »Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben nämlich seinen Stern im Osten gesehen und sind hergekommen, um ihm unsere Huldigung darzubringen.« 3Als der König Herodes das vernahm, erschrak er sehr und ganz Jerusalem mit ihm; 4und er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volks zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo Christus (= der Messias) geboren werden sollte. 5Sie antworteten ihm: »Zu Bethlehem in Judäa; denn so steht bei dem Propheten geschrieben: 6›Du, Bethlehem im Lande Judas, du bist durchaus nicht die unbedeutendste unter den Fürstenstädten Judas; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der mein Volk Israel als Hirte leiten wird.‹« 7Daraufhin berief Herodes die Weisen heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau die Zeit angeben, wann der Stern erschienen wäre; 8dann wies er sie nach Bethlehem und sagte: »Zieht hin und stellt genaue Nachforschungen nach dem Kindlein an; und wenn ihr es gefunden habt, so teilt es mir mit, damit auch ich hingehe und ihm meine Huldigung darbringe.« 9Als sie das vom Könige gehört hatten, machten sie sich auf den Weg; und siehe da, der Stern, den sie im Osten gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er endlich über dem Ort stehen blieb, wo das Kindlein sich befand. 10Als sie den Stern erblickten, wurden sie hoch erfreut. 11Sie traten in das Haus ein und sahen das Kindlein bei seiner Mutter Maria, warfen sich vor ihm nieder und huldigten ihm; alsdann taten sie ihre Schatzbeutel auf und brachten ihm Geschenke dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe. 12Weil sie hierauf im Traum die göttliche Weisung erhielten, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Wege in ihr Heimatland zurück.

Mt 2,1–12

Gott offenbart sich als Dreifaltiger: Die Taufe Jesu

Aus dem Evangelium zum Morgenlob an Epiphanie

Als nun das Volk in gespannter Erwartung war und alle sich in ihren Herzen Gedanken über Johannes machten, ob er nicht vielleicht selbst der Christus (= der Messias) sei, 16antwortete Johannes allen mit den Worten: »Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber der, welcher stärker ist als ich und für den ich nicht gut genug bin, ihm die Riemen seiner Schuhe aufzubinden: der wird euch mit heiligem Geist und mit Feuer taufen. 17Er hat seine Worfschaufel in der Hand, um seine Tenne gründlich zu reinigen, und er wird den Weizen in seine Scheuer sammeln, die Spreu aber mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.« 18Auch noch viele andere Ermahnungen richtete er an das Volk und verkündigte ihm die Heilsbotschaft. […] 21Es begab sich aber, als das gesamte Volk sich taufen ließ und auch Jesus getauft worden war und betete, dass der Himmel sich auftat 22und der heilige Geist in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf ihn herabschwebte und eine Stimme aus dem Himmel erscholl: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden!«

Lk 3,15–18.21–22

Gott lässt sich erbitten: Die Hochzeit zu Kana

Evangelium zum Abendlob an Epiphanie

Am dritten Tage darauf fand zu Kana in Galiläa eine Hochzeit statt, und die Mutter Jesu nahm daran teil; 2aber auch Jesus wurde mit seinen Jüngern zu der Hochzeit eingeladen. 3Als es nun an Wein mangelte, sagte die Mutter Jesu zu ihm: »Sie haben keinen Wein mehr!« 4Jesus antwortete ihr: »Was kümmern dich meine Angelegenheiten, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.« 5Seine Mutter sagte dann zu den Aufwärtern: »Was er euch etwa sagt, das tut.« 6Nun waren dort sechs steinerne Wassergefäße aufgestellt, wie es die Sitte der jüdischen Reinigung erforderte; jedes von ihnen fasste zwei bis drei große Eimer. 7Da sagte Jesus zu den Aufwärtern: »Füllt die Gefäße mit Wasser!« Sie füllten sie darauf bis oben hin. 8Dann sagte er zu ihnen: »Schöpft nun davon und bringt es dem Speisemeister!« Sie brachten es hin. 9Als aber der Speisemeister das zu Wein gewordene Wasser gekostet hatte, ohne zu wissen, woher es gekommen war – die Aufwärter aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es –, ließ der Speisemeister den Bräutigam rufen 10und sagte zu ihm: »Jedermann setzt doch (seinen Gästen) zuerst den guten Wein vor und, wenn sie trunken geworden sind, dann den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten.« 11Hiermit machte Jesus den Anfang seiner Zeichen zu Kana in Galiläa; er offenbarte dadurch seine Herrlichkeit, und seine Jünger lernten an ihn glauben.

Joh 2,1–11

Biblische Texte nach der Übersetzung von Hermann Menge;
Leseordnung gemäß Messbuch sowie Abend- und Morgenlob

„Weiter als die Himmel“

Gottesgebärerin vom Zeichen: Kiewer Schule, Jaroslawl, 13. Jh.

Die Ikone der „Mutter Gottes des Zeichens“

Ein Beitrag zu Advent und Weihnachten

„Siehe, genaht hat sich die Zeit unserer Erlösung. Höhle, halte dich bereit, die Jungfrau naht sich, um zu gebären. Freue dich und frohlocke, Bethlehem, Land Juda, denn aus dir ist hervorgegangen unser Herr. Höret, ihr Berge und Hügel, und du, Judäas Umgebung, denn es kommt Christus, um uns zu retten, den Menschen, den er hat gebildet, als der Menschenliebende.“

(Minäon vom 20. Dezember, Vorfeier der Geburt Christi)

Liebe Schwestern und Brüder!

„Die Jungfrau naht sich, um zu gebären.“ Die Ikone der „Mutter Gottes des Zeichens“ ist eine Ikone, die Jesus vor der Geburt zeigt. Man könnte sie auch als adventliche Ikone bezeichnen. Deshalb einige Gedanken zu dieser Ikone.

Eine Ikone mit vielen Titeln

Wir sehen die Mutter Gottes vor uns in Orantenhaltung. Sie betet. Auf ihrer Brust trägt sie gleich einem Brustschild die Ikone des Gottes Emmanuel. Er segnet uns und hält eine Schriftrolle in der Hand. Sie steht für die Hl. Schrift. Sein Bild ist pränatal zu verstehen. Wir sehen Jesus vor der Geburt. Maria trägt ihn unter ihrem Herzen. Wir werden daran erinnert, dass Maria Gott empfangen hat. Er wohnt in ihrem Schoß. Gewöhnlich lautet der Titel dieser Ikone „Mutter Gottes des Zeichens“. Ihre erste Überschrift ist ganz einfach: Dei genitrix orans, die betende Gottesmutter. Bereits in der Priscillakatakome in Rom finden wir die Darstellung einer Frau mit erhobenen Händen. Es wird wohl die Verstorbene sein, die hier beigesetzt wurde. Die Heiligen und Martyrer erheben ihre Hände zu Gott. Im vierten und fünften Jahrhundert wird dieser Typus auf die Mutter Gottes übertragen. Sie betet und bittet für uns.

Aus dem Leben und Zeremoniell des Kaiserhofes in Konstantinopel wurde Brauchtum für die Feier der Göttlichen Liturgie entnommen und übertragen. Auch der Brauch, das Signum um den Hals zu tragen, stammt vom Kaiserhof. Die Kaiserin und die Hofbeamten trugen gerne ein Bildnis des jeweiligen Kaisers um den Hals, vielleicht einer Münze ähnlich, die ja oft mit dem Bild des Herrschers geprägt wurde. Sie zeigten so ihre Verbundenheit und Loyalität dem Kaiser gegenüber. Die Mutter Gottes wird geschmückt mit dem Bild ihres Sohnes, des himmlischen Herrschers. In Byzanz heißt die Ikone „Platytera“ — ein Komparativ, zu deutsch: „weiter“. Das Wort ist der Basiliusliturgie entnommen.

Basiliusliturgie und Magnifikat

„An dir, du Begnadete, freut sich alle Schöpfung, der Engel Schar und der Menschengeschlecht, du geheiligter Tempel, du geistiges Paradies und jungfräulicher Ruhm, aus welcher Gott ward Fleisch, ja, der unser Gott ist vor Ewigkeit, ein Kindlein. Denn zum Thron machte er deinen Schoß und deinen Mutterleib weiter als die Himmel. An dir du Begnadete, freut sich alle Schöpfung, Ehre sei dir.“

(aus dem Eucharistiegebet der Basiliusliturgie)

Er, den die Himmel nicht zu fassen mögen, birgt sich im Schoß seiner Mutter. Bisher umgaben die Engel den Thron Gottes. Niemand war Gott näher als die Engel. Auch auf unserer Ikone finden sich rechts und links oft Engeldarstellungen der Cherubim. Jetzt ist ein Mensch Gott näher als die Engel es je waren. Der Mensch Maria umschließt ihn körperlich. Deshalb singen wir:

„Geehrter als die Cherubim und unvergleichlich herrlicher als die Seraphim, unversehrt hast du Gott den Logos geboren, dich wahrhaft Gottesgebärerin, preisen wir hoch.“

„Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist frohlockt über Gott meinen Heiland. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut, siehe von nun an preisen mich selig alle Geschlechter (…). Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig.“

Am Ende des byzantinischen Morgengebetes wird stets das Magnificat mit dem oben genannten Kehrvers gesungen. Maria trägt das Zeichen des Menschensohnes auf ihrer Brust. Ihr Heiligenbild wird zur Ikone der „Mutter Gottes des Zeichens“. Es erfüllt sich was der Prophet Jesaja verheißen hat:

„Hört, ihr vom Hause Davids! Ist es euch nicht genug, Menschen zu ermüden, dass ihr auch meinen Gott ermüdet! Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Seht die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und seinen Namen Emmanuel nennen. Von Dickmilch und Honig wird er sich nähren, bis er versteht, das Böse zu verwerfen und das Gute zu erwählen (…)“. (Jes 7,13ff)

Die Ikone kommt zu den Slawen

Mutter Gottes des Zeichens“ – znamenije wird die Ikone in den (ost)slawischen Sprachen genannt. Eine Erzählung machte sie populär. Ein frühes Bildnis dieses Typus findet sich im Blachernenpalast in Konstantinopel, die Gottesmutter Blachernitissa. Byzantinische Missionare brachten eine Ikone dieses Sujets nach Nowgorod. Nowgorod wurde 1170 von Susdal angegriffen. Die Ikone wurde, wie es in Konstantinopel Brauch war, auf die Stadtmauer gebracht. Susdal interessierte es nicht und schoss weiter viele Pfeile ab. Die Ikone wurde getroffen. Die Mutter Gottes weinte und die Ikone drehte sich. Sie wendete sich ab. Schließlich wurde Nowgorod nicht vernichtet. Jeder Krieg ist ein Unding und kann nicht mit Religion begründet werden. Gott wendet sich ab. Er verbirgt sich.

Wir lobpreisen Dich, Lebensspender Christus

Die Mutter Gottes und alle, die mit ihr die Hände zum Himmel erheben und auf Gott harren, der uns entgegen kommt und sich unser annimmt, strecken ihre Hände nach göttlichem Leben und seinem Geist aus. Der Gottesname Emmanuel steht für einen Gott, der Leben spendet und nicht Leben nimmt. Dass wir dies nicht vergessen, wiederholt sich der Lobgesang aus Jesaja in der Großen Komplet des byzantinischen Ritus recht oft:

„Das Volk, das im Finstern wandelt: es sieht ein großes Licht, denn Gott ist mit uns.
Die wir im Schatten des Todes wohnen: ein Licht geht auf über uns, denn Gott ist mit uns.
Ein Kind ist uns geboren: ein Sohn ist uns geschenkt, denn Gott ist mit uns.
Die Herrschaft ist gelegt auf seinen Schultern, denn Gott ist mit uns.
Und sein Friede: er kennt keine Grenzen, denn Gott ist mit uns“.

Emmanuel ist unsere Hoffnung und das Heil der Völker. Er ist unser König und unser Gesetzesgeber, so die O-Antiphon vom 23.12. im römischen Ritus. Martin Luther dichtete in seiner deutschen Übertragung der Weihnachtssequenz: „Den aller Welt Kreis nie beschloss, der liegt in Marienschoß.“ Ihn, den aller Weltkreis, der Kosmos und die Himmel nicht zu fassen vermögen, ihn trägt die Mutter Gottes. Sie hält ihn gleichsam bereit für uns. Möge uns zum Weihnachtsfest ein Engel streifen, wie es Maria und Josef erleben durften vor der Geburt Jesu. Möge uns ein Engel daran erinnern, dass wir Gottes Ebenbilder sind. Vielleicht dürfen wir diese Erfahrung machen, wenn wir mit der heiligen Gottesgebärerin unsere Hände zu Gott erheben. Das wünsche ich Ihnen zum Weihnachtsfest und zum neuen Jahr.

Am Fest des heiligen Apostels Thomas 2022

Diakon Joachim Danz, Dipl.-Theol.

Liturgische Desorientierung als Symptom sinnentleerter Soteriologie

Eine adventliche Paränese von Professor Dr. Reinhard Thöle,
rezensiert von Pfarrer Dr. Dr. Daniel Gerte

Zur Bewältigung der gegenwärtigen Kirchenkrise können Transformation und Innovation zu einem möglichen Ausweg führen. Dabei werden theologische Gehalte vermittels methodischer Innovationen transformiert und auf diese Weise den zeitgenössischen Denk- und Sprachwelten angepasst. Der Zweck scheint die Mittel zu heiligen: Intendiert wird eine Christusbegegnung, die frei von historischen Altlasten und systematischen Korsetten dem alltäglichen Leben der Menschen gerecht werden kann. In seinem neuen Buch mahnt Reinhard Thöle eindringlich an, dass ebendies zu einer unmittelbaren Preisgabe und Überwindung der bewährten, erfüllenden Gehalte des christlichen Glaubens führt. Besonders im liturgischen Geschehen zeigt sich die Anverwandlung menschlicher Kategorien in einem dem traditionellen Verständnis nach von Gott gnadenhaft geschenkten, heilbringenden Vollzug. Was kann also eine Alternative sein?

Reinhard Thöle setzt sich für eine „mythopoetische Rebellion“ der Liturgie und somit für die Reintegration eines geläuterten Mythos-Begriffes ein. Dieser Ansatz mag an Karl Jaspers erinnern: Für Jaspers war der Mythos ein Medium der eingegrenzten, menschenmöglichen Entschlüsselung der Transzendenz in der Gestalt von Chiffren. Obwohl die Chiffre-Konzeption zu kritisieren ist, da sie letztlich in Beliebigkeiten mündet, setzte Jaspers das qualitativ Eine voraus und identifizierte Transzendenz mit Gott. Für ihn traf im Mythos die menschliche Existenz auf das ewige Sein, wenngleich die gegebene Distanz darin erhalten blieb. Mit Reinhard Thöle wäre zu überlegen, wie die „Wahrheit des Mythos“ (Kurt Hübner) eine speziell christlich verstandene Wahrheit des Mythos sein kann.

Mit Blick auf gottesdienstliche Entwicklungen ist zu fragen: Wozu ist Liturgie gut, wenn bei der Planung und Durchführung zunehmend und konsequent weltliche Maßstäbe angelegt werden? Das Anliegen des Buches ist zu begrüßen, denn die Lebenswirklichkeit der Menschen ernst zu nehmen bedeutet auch, entgegen manch liturgischen Verzerrungen eine Sphäre für das zu schaffen, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat (vgl. 1 Kor 2,9).

Prof. Dr. Reinhard Thöle:
Nullus Diabolus — nullus Redemptor.
Von Himmel und Hölle kirchlicher Milieus

Fromm Verlag 2022

Heiliger Martin, bitte Gott für uns!

St. Martin (r.) schaut Christus im Traum; l. die Mantelteilung: Fuldaer Sakramentar (10. Jh.), Niedersächs. Staats- u. Univ.-Bibl., Ms. theol. 231 Cim, fol. 113r

Eine Predigt zum Fest des heiligen Martin von Tours (11. November)

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Auch heute noch wird das Fest des heiligen Martin von Tours wahrgenommen. Kinder mit Lampionzügen verbreiten Licht in der dunklen Jahreszeit. Martinsspiele werden aufgeführt. Ein Mantel wird geteilt. Martin von Tours war wohl eine Person, die Licht für andere war. Stundenlang legte er Kranken die Hände auf und heilte sie. Doch nicht nur Krankenheilungen nahm er vor. Er schlichtete und vermittelte. Seine große Leistung war es, Gallier, Römer und Franken zu einen und zu versöhnen. Er vermochte auf alle einzuwirken.

Die Taufe der Franken erfolgte sehr früh. Bischof Remigius von Reims taufte den Merowingerkönig Chlodwig um das Jahr 500. Etwa dreitausend Franken schlossen sich an, wie es dem Brauch entsprach. Der Reichsheilige des Frankenreiches das dann unter Karl dem Großen seine größte Ausdehnung erreichte, wurde Martin von Tours. Der im Folgenden vorgestellte Hymnus sucht sein Leben und sein Vermächtnis zusammenzufassen.

Ein neues Martinslied

Die erste Strophe erinnert an seine Heimat Ungarn. Er stammte aus der Provinz Pannonien und kam aus einer Soldatenfamilie. Er erhielt seinen Namen zu Ehren des Kriegsgottes Mars, der z.B. auch in der Form Martinianos üblich war. Die ungarische Erzabtei Pannonhalma trägt seinen Namen und erinnert bis heute an ihn. Auch gibt es in Szombathely (Stein am Anger) Wallfahrtsgottesdienste zu seinen Ehren.

Den zweiten Teil seines Lebens wird er als Bischof von Tours verbringen. Da Mitte November das landwirtschaftliche Jahr endgültig zur Neige geht und die Pacht in Naturalien bezahlt wurde, wird er gerne mit Gänsen in Verbindung gebracht. In der Antike war die Gans auch Zeichen der Wachsamkeit. Sie warnte und beschützte. Martin lebte und wachte für Christus.

1. Sankt Martin, dein Fest wir heut feiern,
es stärk im Glauben uns, wir flehn.
Dein Lebensweg begann im Osten,
in Gallien solltest du bestehn.
Den guten Kampf hast du vollendet,
du lebtest nur noch für den Herrn.
So bist ein Hirte du geworden,
für Tours, für uns, wir preisen dich.

Die zweite Strophe konfrontiert mit dem großen Bruch seines Lebens. Irgendwie muss er wohl einen inneren Konflikt mit sich ausgetragen haben. Das Soldatenleben war er leid. Kriegsdienst wollte er keinen mehr leisten. Julian der Apostat wollte das Heidentum wieder einführen. Martin machte da nicht mit. Dass er die Auseinandersetzung mit dem Kaiser schadlos überstanden hat, erscheint gleich einem Wunder. Martin entscheidet sich für das Christentum. Gott zu leben und zu dienen, ist ihm wichtiger als der Soldatendienst für den Kaiser. Er kämpft jetzt nicht mehr für den Kaiser, sondern für Gott.

2. Sankt Martin, Bischof hoch in Ehren,
dich unsern Schutzherrn feiern wir.
Du zeigst uns wie wir leben sollen
mit deinem Handeln für und für.
Du hast den Kriegsdienst aufgegeben,
zu leben nach des Herrn gebot,
du hast von nun an ihm gedienet,
zu jeder Zeit, in aller Not.

Die dritte Strophe steht für die Tat, die ihn berühmt gemacht hat, und die auch heute bekannt und beliebt ist. Er teilt den Mantel. Er sieht den Bettler am Stadttor von Amiens und handelt. Natürlich wusste er genau, dass ihm der schöne, weiße Soldatenmantel nicht gehört. Die Ausrüstung war Eigentum des Staates und er konnte nicht frei darüber verfügen. Er wird bestraft für das Teilen. Wieder war ihm das Irrationale und Überirdische wichtiger als die Vorschrift. Er war weder getauft noch Katechumene. Er handelt einfach menschlich. Und eben das ist auch wahrhaft christlich, wie uns das Evangelium: „Ich war nackt und ihr habt mich bekleidet.“ (Mt 25,36) Martin kennt die Menschlichkeit nicht unter dem Begriff der sieben Werke der Barmherzigkeit. Und doch handelt er danach. Unter Kleidermangel leiden wir heute nicht. Heute bedeckt er die Leiden und Krankheiten unserer Seele, wenn wir ihn darum bitten.

3. Sankt Martin, hilf uns du zu lieben
den Herrn und alle Menschen hier.
Du hast geteilt mit einem Bettler,
gezögert nicht, wir danken dir.
Bedecke nun mit deinem Mantel
uns Armen unsrer Seele Not,
schenk deinen Schutz deiner Gemeinde,
die hier noch trägt des Tages Last.

In der vierten Strophe geht es um Gebet und das große Ideal des Mönchtums. Lange vor Benedikt von Nursia bemüht sich Martin um monastisches Leben. Er hat das Mönchtum hier zu Lande eingeführt und mehrere Klöster gegründet, das erste in Ligugé. Erfreulicherweise bestehen sie heute noch oder wieder, da die Französische Revolution ja alle Klöster zerstörte und vernichtete. Er wollte nicht in einem Bischofshaus inmitten der Stadt ein fürstliches Leben führen. Am Stadtrand baute er sein Kloster. Jeden Morgen standen die Menschen Schlange, um von ihm die Hände aufgelegt zu bekommen. Sie suchten Heilung an Seele und Leib auf seine Fürbitte hin. Er vertrieb Dämonen und weckte Tote auf. Er war ein alter Christus (zweiter Christus) im Sinne eines Jüngers, der Jesus nachfolgte und gleich ihm zum Lebensspender wurde. Er suchte in der Stille die Nähe Gottes. Mönch sein heißt nach frühem Brauch Beten, Fasten und so den Frieden für die Welt erflehen. Martin besaß Übung darin. Freilich musste er seine seelsorglichen Aufgaben als Bischof wahrnehmen. Er hatte die Fähigkeit zu vermitteln und zu schlichten. Er weilte mehrmals zu Synoden in Trier. Vielleicht traf er dort Athanasius den Großen und lernte von ihm das engelgleiche Leben. Antonius der Große nannte die Mönche die neuen Engel im neuen Zion.

4. Sankt Martin, allen, die hier beten,
in dieser Kirche flehn zum Herrn,
sei nahe, denn du suchtest ihn ja,
ein Leben lange immer gern.
Du hast dein Leben aufgerieben,
verströmt für Christi Herde dich,
im Zeugnis hast du ihn verkündet,
der dich durch seinen Geist geführt.

Das Lied entstand konkret für eine Kirche, die das Martinspatrozinium hat. Die fünfte Strophe empfiehlt das Volk Gottes auf die Fürsprache des heiligen Martin dem Herrn an. Der Patronus war in der römischen Gesellschaft für seine Leute zuständig und verantwortlich. Martin hilft uns, zu Menschen und Christen zu werden. Der Heilige Geist kommt und nimmt Wohnung in uns. Geistliches Leben entfaltet sich, wenn wir versuchen wie Martin Jesus nachzufolgen. Sulpicius Severus, sein Biograph, berichtet, in der Nacht nach der Mantelteilung sieht Martin im Traum Christus. Dieser spricht: „Martin hat mich mit seinem Mantel bekleidet.“ Das Schriftwort „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, habt ihr mir getan“ (Mt 25,40) hat Martin erfüllt und vorgelebt.

5. Sankt Martin, sieh auf die Gemeinde,
das Volk des Herrn in dieser Welt.
Du warst ein Tempel seines Geistes,
wir sind oft seiner Botschaft fern.
Hilf uns zum Glauben, führe Du uns,
lass niemals ab für uns zu flehn,
dann finden wir im Nächsten Christus,
dann schauen wir wie du den Herrn.

Text (alle 5 Str.): Joachim Danz 1984
zur Melodie von „Nun saget Dank und lobt den Herren“
(Guillaume Franc 1543, Loys Bourgeois 1551)

Der heilige Martin war der erste Nichtmartyrer, der als Heiliger verehrt wurde. Auch wenn das Mönchtum an die Stelle der Martyrer trat, wurde nicht jeder Mönch heilig. Martin war stets um Askese bemüht. Große Achtung vor weltlicher Autorität hatte er nie. Die Konsequenz der Mantelteilung war ihm egal oder sogar gewollt. Wenn er als Bischof an die Tafel des Fürsten eingeladen wurde, dann kam er nicht in Samt und Seide wie andere Bischöfe, sondern er trug seine Alltagskleidung, seinen alten, zerschlissenen Habit. Martin war der einzige Bischof, der sich in Trier für einen verurteilten spanischen Bischof einsetzte, der eine rigorose Frömmigkeit und Fastenpraxis lebte. Martin sagte, es geht nicht an, dass Christen gegen Christen vorgehen. Er holte sich vom Kaiser das Versprechen, kein Todesurteil zu fällen. Nach der Abreise Martins fällte dieser das Todesurteil. Martin hielt es für völlig ausgeschlossen, dass Christen untereinander Krieg führen oder Bischöfe sich gegenseitig bekämpfen. Ein heiliger Martin scheint der heutigen Kirche und Gesellschaft sehr zu fehlen. Seine Cappa war die Reichsreliquie des Frankenreiches. Das Regierungssystem bestand darin, dass der Herrscher von Pfalz zu Pfalz zog und im ganzen Land nach dem Rechten sah und Recht sprach. Für die Cappa musste ein heiliger Raum errichtet werden, den man Capella nannte. Der Priester der Capella war der Capellanus oder Kaplan. Mögen in ganz Europa auf die Fürbitte des heiligen Martin Recht und Frieden aufblühen. Möge ganz Europa menschliches Handeln zuteil werden.

Zum Fest des heiligen Martin 2022
Diakon Joachim Danz,
Dipl.-Theol. (Univ.)

125 Jahre Polnisch-katholische Nationalkirche — Sto lat!

Emblem und Motto der PNCC

In diesen Tagen begeht der nordamerikanische Zweig des orthodoxen Altkatholizismus, die Polnisch-katholische Nationalkirche (Polish National Catholic Church, PNCC) nicht nur ihre XXVI. Generalsynode, sondern auch ein besonderes Jubiläum: Im Jahr 2022 jährt sich zum 125. Mal die Wahl und Weihe des ersten Bischofs der polnisch-stämmigen Altkatholiken Nordamerikas, Bischof Antoni Kozłowski, und damit die Geburtsstunde des ältesten Teils der heutigen PNCC sowie der gesamten Union von Scranton.

Bischof Antoni S. Kozłowski (1857–1907)

Bischof Antoni Stanisław Kozłowski (1857–1907) war ursprünglich römisch-katholischer Priester, zudem promovierter Theologe und zeitweise Rektor des Seminars von Taranto (Italien). Er soll schon in den 1870er Jahren Zeit große Sympathien für die innerkatholische Opposition (vertreten u.a. durch Bischof Josip Juraj Strossmayer und Prof. Ignaz Döllinger) gegen die traditionswidrigen Beschlüsse des Ersten Vatikanische Konzils gehegt haben. Später wurde er als Seelsorger nach Nordamerika entsandt und wurde Zeuge, wie die dortige römisch-katholische Hierarchie die pastoralen Nöte der polnischstämmigen Katholiken ignorierte. Diese Umstände und die inzwischen in ihm gereifte Ablehnung der neuen Papstdogmen des Ersten Vatikanums führten ihn in den 1890er Jahren zum Bruch mit der römischen Hierarchie. Schließlich wählten ihn die polnischstämmigen Altkatholiken von Chicago (Illinois) zu ihrem Bischof, und am 21. November 1897 empfing er von Bischof Eduard Herzog in Bern die Bischofsweihe; seine Co-Konsekratoren waren der Utrechter Erzbischof Gerardus Gul und der deutsche alt-katholische Bischof Theodor Weber.

Bischof Franciszek Hodur (1866–1953)

Nach Bischof Kozłowskis frühem Heimgang im Januar 1907 und der Weihe von Bischof Franciszek Hodur im Herbst desselben Jahres (durch Erzbischof Gerardus Gul in Utrecht) unterstellten sich die Chicagoer Gemeinden der Jurisdiktion Bischof Hodurs und wurden auf diese Weise die am längsten bestehenden Gemeinden der PNCC. Die von Bischof Kozłowski gegründete altkatholische Allerheiligen-Gemeinde in Chicago existiert noch heute. Im Jahr 1926 wurde sie zur Kathedralgemeinde der Westlichen Diözese der PNCC unter Leitung von Bischof Leon Grochowski, dem späteren Primas der PNCC.

Die deutsche Administratur der Nordisch-katholischen Kirche gratuliert S.E. Erzbischof Dr. Anthony Mikovsky samt allen Bischöfen sowie den Geistlichen und Gläubigen der Polnisch-katholischen Nationalkirche (PNCC) aufs Herzlichste zu ihrem 125. Jubiläum und verbindet damit die besten Wünsche für ihr künftiges Wirken — zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen.

Heartfelt congratulations!
Ad multos annos!
Sto lat!

Heiliger Erzengel Michael, Schutzpatron der Deutschen

Heiliger Erzengel Michael: Konstantinopel, 14. Jh.

Aus der Liturgie des Michaelisfestes

Introitus

Ps 113

1Halleluja!
Lobet, ihr Knechte des HERRN,
lobet den Namen des HERRN!

2Gepriesen sei der Name des HERRN
von nun an bis in Ewigkeit!

3Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang
sei gelobt der Name des HERRN!

4Erhaben über alle Völker ist der HERR,
den Himmel überragt seine Herrlichkeit!

5Wer ist dem HERRN gleich, unserm Gott,
der da thront in der Höhe,

6der niederschaut in die Tiefe,
im Himmel und auf Erden?

7Er hebt aus dem Staub den Geringen empor
und erhöht aus dem Schmutz den Armen,

8um ihn sitzen zu lassen neben Edlen,
neben den Edlen seines Volks.

9Er verleiht der kinderlosen Gattin Hausrecht,
macht sie zur fröhlichen Mutter von Kindern. Halleluja!

Anm. Ps 113,5: „Wer ist Gott gleich?“ = hebr. mi-cha-el.

Tagesgebet

St. Michael und alle Engel

Ewiger Gott! Du hast die Dienste aller Engel und Menschen in wunderbarer Ordnung begründet und bestimmt. Gewähre uns in Gnaden, dass die heiligen Engel – welche Dir im Himmel allezeit dienen – auch uns auf Erden nach Deinem Befehl beistehen und verteidigen. Durch Jesus Christus, unseren Herrn, der mit Dir und dem Heiligen Geist, ein einiger Gott, lebt und herrscht, jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen.

Lesung

Offb 12,7–12

Aus der geheimen Offenbarung des Johannes.

Brüder und Schwestern! 7Es erhob sich dann ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen; auch der Drache und seine Engel kämpften, 8doch gewannen sie den Sieg nicht, und ihres Bleibens war nicht länger im Himmel. 9So wurde denn der große Drache, die alte Schlange, die da ›Teufel‹ und ›Satan‹ heißt, der Verführer des ganzen Erdkreises, auf die Erde hinabgestürzt, und seine Engel wurden mit ihm hinabgestürzt. 10Da hörte ich eine laute Stimme im Himmel rufen: »Jetzt ist das Heil, die Macht und die Königsherrschaft an unsern Gott gekommen und die Herrschergewalt an seinen Gesalbten! Denn hinabgestürzt ist der Ankläger unserer Brüder, der sie vor unserm Gott verklagt hat bei Tag und bei Nacht. 11Diese haben ihn um des Blutes des Lammes und um des Wortes ihres Zeugnisses willen überwunden und haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tode. 12Darum freuet euch, ihr Himmel und die ihr in ihnen wohnt! Wehe aber der Erde und dem Meer! Denn der Teufel ist nun zu euch hinabgekommen und hegt gewaltige Wut, weil er weiß, dass seine Zeit nur noch kurz bemessen ist.«

Evangelium

Mt 18,1–10

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

In jener Stunde traten die Jünger zu Jesus mit der Frage: »Wer ist denn der Größte im Himmelreich?« 2Da rief er ein Kind herbei, stellte es mitten unter sie 3und sagte: »Wahrlich ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, so werdet ihr nimmermehr ins Himmelreich eingehen. 4Wer sich demnach so demütig unter andere stellt wie dieses Kind hier, der ist der Größte im Himmelreich; 5und wer ein einziges solches Kind um meines Namens willen aufnimmt, der nimmt mich auf. 6Wer aber einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es das beste, dass ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er ins Meer versenkt würde, wo es am tiefsten ist. 7Wehe der Welt um der Verführungen willen! Wohl müssen die Verführungen kommen; doch wehe dem Menschen, durch den die Verführung kommt! 8Wenn nun deine Hand oder dein Fuß dich zum Bösen verführen will, so haue sie ab und wirf sie von dir! Es ist besser für dich, verstümmelt oder lahm ins Leben einzugehen, als dass du beide Hände oder beide Füße hast und in das ewige Feuer geworfen wirst. 9Und wenn dein Auge dich zum Bösen verführen will, so reiße es aus und wirf es von dir! Es ist besser für dich, einäugig ins Leben einzugehen, als dass du beide Augen hast und ins Feuer der Hölle geworfen wirst. 10Sehet zu, dass ihr keinen von diesen Kleinen geringschätzt! Denn ich sage euch: Ihre Engel (= Schutzengel) im Himmel schauen allezeit das Angesicht meines himmlischen Vaters.«

Heiliger Erzengel Michael,
bitte für uns
.

Gebets- und Spendenaufruf für ein geistliches Zentrum in Westfalen

Denn Du selbst, mein Gott, hast Deinem Knecht die Offenbarung zuteil werden lassen, dass Du ihm ein Haus bauen wollest; darum hat Dein Knecht den Mut gefunden, dieses Gebet an Dich zu richten.

1 Chr 17,25

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder!

Mit großer Freude dürfen wir Ihnen und Euch mitteilen, dass die Nordisch-katholische Mission in Deutschland endlich die Möglichkeit erhalten hat, in Westfalen ein Kirchengebäude durch Kauf zu erwerben.

Das Kirchengebäude befindet sich in einem sehr guten baulichen Zustand, wenngleich einige Renovierungsarbeiten und die Herstellung des Kirchenraumes im Sinne einer altkatholisch-orthodoxen Spiritualität geleistet werden müssen. Es gibt die Möglichkeit einer Mehrzwecknutzung der großzügig vorhandenen Räumlichkeiten, so dass verschiedene Gottesdienste sowie katechetische und diakonale Projekte möglich sein werden. Inklusiv ist eine funktionierende Orgel sowie eine Glocke. Die kleine Außenanlage lädt an warmen Tagen zum geistlichen und gemeinschaftlichen Verweilen ein.

Als kleine Kirche stehen wir nun vor einer spannenden Herausforderung, die wir aber gemeinsam lösen können: Der Verkaufspreis befindet sich in einem höheren fünfstelligen Bereich. Samt Kaufnebenkosten wird ein (niedriger) sechsstelliger Eurobetrag aufzubringen sein, zuzüglich der laufenden Kosten nach Erwerb des Eigentums.

Wir bitten daher um Ihre und Eure Mithilfe durch

– Gebet
– praktisches Mitwirken
– Spenden

Spenden können auf das Konto des Martinuswerks überwiesen werden:

Martinuswerk e.V.
IBAN: DE70 4146 0116 8516 8514 00
BIC: GENODEM1SOE
(Volksbank Hellweg eG)
Verwendungszweck: Kirchenkauf

Gern können wir Ihnen und Euch zu Beginn des neuen Kalenderjahres eine Bescheinigung über die Zuwendung für die Einkommensteuererklärung zukommen lassen.

Mit den besten Segenswünschen,

Dr. Daniel Gerte
Pfarrer

Notizen zur orthodox-altkatholischen Lehre, III/1–II: Eigenschaften der Kirche

Christus und die Apostel: Antependium, Kathedrale von Urgell/Katalonien, um 1200

Die orthodoxen und die altkatholischen Kirchen haben zwischen 1975–1987 einen umfassenden theologischen Konsens erarbeitet — mit dem Ziel einer kanonischen Vereinigung. Während sich einige altkatholische Kirchen (besonders in Westeuropa) hiervon später distanziert haben, hält die Union von Scranton an diesem altkirchlichen Glauben weiterhin fest. Wir dokumentieren hier weitere Notizen zur Katechesenreihe (von Bischofsvikar F. Herzberg) über das orthodox-altkatholische Konsensdokument Koinonia auf altkirchlicher Basis (= IKZ 79/4 Beiheft, 1989, Hrsg. Urs von Arx). 

Bisher erschienen in der Katechesenreihe die folgenden Teile: 

III/1–II. Wesentliche Eigenschaften der Kirche

(II.) Wo wird das Wesen der Kirche dogmatisch definiert, und mit welcher Formel?

Das Symbol (= Glaubensbekenntnis) des Zweiten Ökumenischen Konzils (Konstantinopel 381) lehrt, aufbauend auf dem Symbol des Ersten Ökumenischen Konzils (Nizäa 325), „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“. Es wurde vom Vierten Ökumenischen Konzil (Chalkedon 451) bestätigt. [Mit dem Begriff „Ökumenisches Konzil“ ist hier eine Versammlung von Bischöfen aus der gesamten bewohnten Welt (oikoumene) gemeint, in Abgrenzung von den Provinzial- oder Regionalsynoden; gelegentlich verwendet man hierfür auch den Begriff „Ökumenische Synode“.]

(II.1.) In welchem Sinne ist die Kirche „eine“?

  • Die Kirche ist der Leib Christi und hat ein Haupt, nämlich Christus. Daher gibt es auch nur einen zu Christus gehörenden und vom Heiligen Geist beseelten Leib; in diesem Leib ist Christus mit allen Gläubigen als Gliedern vereinigt.
  • Die Ortskirchen als Teile dieses Leibes sind miteinander verbunden durch
    1. die Einheit des Glaubens,
    2. die Einheit des Gottesdiensts und
    3. die Einheit der Ordnung. [Vgl. Apg 2,42]
  • Durch den Glauben und Gottesdienst werden die Gläubigen mit Christus und untereinander verbunden; umgekehrt bringen sie ihre Verbindung durch das Bekennen desselben Glaubens und das Feiern des desselben Gottesdiensts (soweit dieser den Glauben zum Ausdruck bringt), zum Ausdruck.
  • Die Einheit der Ordnung zeigt sich
    • in den Grundsätzen, nach welchen die Leitung ausgeübt wird, und
    • in der Anerkennung eines Leitungsamts durch die Gläubigen, als Autorität gemäß Kirchenrecht, nämlich der Gemeinschaft der Bischöfe.

Widerspricht die Vielfalt der Sichtweisen in der Kirche ihrer Einheit?

Die gleichen ewigen Wahrheiten des Glaubens werden von den Gläubigen zuweilen auf verschiedene Weise erkannt. Darüber hinaus ist die Kirche oft geduldig mit verirrten Gliedern und schließt diese nicht sofort aus. In alledem liegt kein Widerspruch zur Einheit des Glaubens.

Worin gründet die Einheit der Kirche?

  • Die Kirche bildet als Leib Christi eine Einheit, in der die vielen Glieder vereinigt sind.
  • Der Herr hat für die Einheit der Kirche gebetet – und zwar als Einheit, die jener von Gott-Vater und Gott-Sohn entspricht (Joh 17,21).
  • Die Einheit der Kirche ist somit ein Abbild der Einheit der heiligen Dreifaltigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist.
  • Die Glieder der Kirche sind berufen, durch die Einheit ihres Willens dieses Abbild erkennbar werden zu lassen.

(II.2.) In welchem Sinne ist die Kirche „heilig“?

[Heiligkeit bedeutet in der Schrift: ausgesondert zu sein für Gott – und dadurch auch den sündhaften Zusammenhängen dieser Welt entrissen.] Die Heiligkeit der Kirche besteht in ihrer Verbindung mit Christus:

  • Er, der absolut Heilige, ist ihr Haupt und gibt ihr Anteil an Seinem göttlichen Leben.
  • Er hat sich für sie aufgeopfert und sie dadurch für sich geweiht. (Eph 5,25-27)
  • Er hat sie ausgesondert zum „Haus Gottes“. (1 Tim 3,15, Hebr 3,6)
  • Er hat alle ihre Glieder, nämlich das Volk Gottes, mit Seinem Blut besprengt und so geweiht und geheiligt (Hebr 13,12); diese heißen daher „Heilige“ (Apg 9,13).

Widerspricht die Sündhaftigkeit ihrer Glieder der Heiligkeit der Kirche?

  • Nein, da die Heiligkeit der Kirche in der Heiligkeit Christi gründet (siehe oben).
  • Die Behauptung, die Kirche bestehe nur aus vollkommen heiligen Menschen, ist eine irrige Übertreibung asketischer Strenge; sie wurde von den Kirchenvätern einmütig verurteilt [z.B. von Augustinus in Auseinandersetzung mit den Donatisten].

(II.3) In welchem äußeren Sinne ist die Kirche „katholisch“?

  • [„Katholisch“ heißt wörtlich: dem Ganzen gemäß, all-umfassend.]
  • Die Kirche hat den Herrn des Alls zum Haupt.
  • Dieser hat ihr verheißen, sie werde sich durch alle Zeiten, Nationen und Kulturen erstrecken (Mt 28,20, Mk 16,15, Apg 1,8 [Offb 7,9]).
  • Diesen äußeren Sinn der Katholizität nennt man auch „quantitativ“.

In welchem inneren Sinne ist die Kirche „katholisch“?

  • Die Kirche vertritt durch Raum und Zeit hindurch stets die gleiche Fülle der Lehre.
  • Sie bewahrt „was überall, was immer und was von allen geglaubt worden ist“ (Vinzenz von Lérins, Commonitorium 2, Migne PL 50, 640 [BKV I, 20, 165]).
  • Die katholische Kirche zu sein, heißt, die rechtgläubige [griechisch: „orthodoxe“], authentische und wahre Kirche zu sein. Dies ist der qualitative Sinn von Katholizität.

Wie kann die Katholizität der Kirche noch beschrieben werden?

In den Worten des heiligen Kyrill von Jerusalem (Katechesen 18, 23; Migne PG 33, 1044; BKV² I, 41, 351f.): „Die Kirche heißt katholisch, weil sie auf dem ganzen Erdkreis, von dem einen Ende bis zum anderen, ausgebreitet ist, weil sie allgemein und ohne Unterlass all das lehrt, was der Mensch von dem Sichtbaren und Unsichtbaren, von dem Himmlischen und Irdischen wissen muss, weil sie das ganze Menschengeschlecht, Herrscher und Untertanen, Gebildete und Ungebildete, zur Gottesverehrung führt, weil sie allgemein jede Art von Sünden, die mit der Seele und dem Leibe begangen werden, behandelt und heilt, endlich weil sie in sich jede Art von Tugend, die es gibt, besitzt, mag sich dieselbe in Werken oder Worten oder in irgendwelchen Gnadengaben offenbaren.“

(II.4) Inwiefern ist die Kirche „apostolisch“?

  • Der Herr der Kirche ist laut der Schrift (Hebr 3,1, vgl. Gal 4,4) selbst der erste „Apostel“ [d.h. ein von Gott dem Vater zu den Menschen Gesandter].
  • Die Kirche ist „aufgebaut auf dem Grund der Apostel und Propheten, wobei Christus Jesus selbst der Eckstein ist“ (Eph 2,20).

Lässt sich auch hier ein innerer und ein äußerer Sinn der Apostolizität unterscheiden?

  • So wie der Vater den Sohn in die Welt gesandt hat, sandte Christus die Apostel zur Verkündigung Seiner Lehre aus (Joh 20,21, Lk 10,16 [Mt 28,20]); die Apostel wiederum gaben den anvertraute Schatz der Wahrheit an ihre Nachfolger weiter.
  • Die Kirche ist apostolisch im inneren Sinn, da sie treu, unverkürzt und unverfälscht diese Lehre bis zum heutigen Tag weitergibt.
  • Die Kirche ist apostolisch im äußeren Sinn, da ihre Hirten und Lehrer, die Bischöfe, in einer ununterbrochenen Reihe der Nachfolge stehen, die bis auf die Apostel zurückreicht [= apostolische Sukzession].

Lassen sich die beschriebenen vier dogmatischen Eigenschaften der Kirche [notae ecclesiae] voneinander trennen?

Nein, denn sie bedingen einander notwendig und verbürgen zusammen die Unüberwindlichkeit [Mt 16,18] und Unfehlbarkeit der Kirche als „Säule und Grundfeste der Wahrheit“ (1 Tim 3,15).

Fortsetzung in Vorbereitung: III/2 Die Einheit der Kirche und die Ortskirchen

Pfingsten! Und dann? Eine Gemeinde entsteht

Das Moseltal bei Bernkastel-Kues

Feste Grundlagen

Im Anschluss an den Pfingst-Gottesdienst der nordisch-katholischen Mission an der Mosel entstand auf der weltlichen Feier der Impuls für weitere Treffen mit dem Thema der Verwirklichung des Kirche-Seins. Die Treffen standen unter der Überschrift „Kirche wie am Anfang: Außenseiter-Gemeinschaft mit konkretem Auftrag“; Ziel war das Formulieren eines gemeinschaftlichen Selbstverständnisses. 

Im Mittelpunkt der Überlegungen stand die Betrachtung der Perikope 1Petr 2,4ff.:

Wenn ihr zu ihm, dem lebendigen Stein, herantretet, der von den Menschen zwar als unbrauchbar verworfen, bei Gott aber als ein auserwähltes Kleinod gilt, 5so werdet auch ihr selbst als lebendige Bausteine zu einem geistlichen Hause, zu einer heiligen Priesterschaft aufgebaut, um geistliche Opfer darzubringen, die Gott durch Jesus Christus wohlgefällig sind. 6In der Schrift heißt es ja (Jes 28,16): »Seht, ich lege in Zion einen auserwählten Stein, einen kostbaren Eckstein; und wer auf ihn sein Vertrauen setzt, wird nimmermehr zuschanden werden.«

1. Petrusbrief, Kapitel 2, Verse 4-6

Folgende Punkte wurden für die Missionsgemeinde an der Mosel festgehalten:

  • Fundament der Missionsgemeinde ist die ekklesiologische Zugehörigkeit zum Leib Christi.
  • Die Missionsgemeinde versteht sich als Basisgemeinde — als christliche, von Laien verwaltete Gemeinschaft vor Ort.
  • Die seelsorgliche Betreuung erfolgt durch die nordisch-katholische Kirche, auf der Grundlage von deren Amts- und Sakramentsverständnis.
  • Angehörige anderer christlicher Konfessionen sind zu allen Veranstaltungen herzlich eingeladen.
  • Die Missionsgemeinde versteht sich konfessionell als ‚orthodox mit westlichem Ritus‘.*
  • Die heilige Eucharistie wird gemäß dem nordisch-katholischen Messbuch gefeiert, mit der Kommunion unter beiderlei Gestalt.
  • Mitgliedsbeiträge werden nicht erhoben. Anfallende Kosten für Räumlichkeiten etc. werden über Spenden an das Martinuswerk e.V., Kollekten und Kerzenopfer geregelt.

* Grundlage ist der im orthodox-altkatholischen Dialog 1975-1987 festgehaltene altkirchliche Glaube.

Katechese und Gemeinschaft

Am Mittwoch nach dem Trinitatisfest (15. Juni) fand dann ein dreiteiliger Themenabend unter Leitung des Pastoralen Mitarbeiters Br. Josef im Weingut Christoph Pfeiffer unter dem Motto „Kirche, Kirchen, Christentum und ich: Sola scriptura?“ statt. Im ersten Teil ging es ausgehend vom Pfingstereignis (Apg 2) um die Entwicklung der Kirche unter den kulturellen und politischen Gegebenheiten des römischen Reiches. Entlang der Kirchengeschichte wurde die kontinuierliche Weitergabe der christlichen Glaubensinhalte ausgehend vom Apostelkonzil (48 n.Chr.) bis in die heutige Zeit dargestellt. Themen waren unter anderem die apostolische Sukzession, die Inhalte der Traditio apostolica und das Vermächtnis der Kirchenväter im Allgemeinen.

Im zweiten Teil ging es um die orthodoxe Ekklesiologie und Eschatologie und um die Umsetzung des orthodox-altkatholischen Konsensdokuments (Koinonia auf altkirchlicher Basis = IKZ 79 [1989], Beiheft zu Nr. 4). Im Anschluss an eine angeregte Diskussion ging es im dritten Teil um die Kernbotschaft des Evangeliums — am Beispiel des Schächers am Kreuz und seiner Bekehrung zu Christus in der Todesstunde (Lk 23,39-43).

Den Schluss des Vortrages bildete dann die Betrachtung des Pfingstereignisses als Geburtsstunde der Urgemeinde und Inspiration geistlicher Aufbrüche bis in die Gegenwart. Vor dem gemütlichen Ausklang im Weinkeller fasste Br. Josef zusammen: „Der menschgewordene Gott hat Sein öffentliches Wirken mit der Weinvermehrung begonnen und setzt es durch die Ausgießung des Heiligen Geistes bis zum heutigen Tag fort; es lohnt sich, Ihm zu folgen!“ Freudig und gut gelaunt gingen die Gespräche an diesem Abend weiter, bis tief in die Nacht hinein.

Deo gratias!