„Gott steigt empor unter Jubelklang“

[Auferstehung und Himmelfahrt Christi:
Elfenbeinrelief „Reidersche Tafel“, ca. 400]

„Gott steigt empor unter Jubelklang, der HERR beim Schall der Posaune“ (Ps 47,6)

Gedanken zur Himmelfahrt unseres Herrn, Heilandes und Gottes Jesus Christus

Von Joachim Danz
Dipl.-Theol.

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

1. Einleitung

Die Freude über die Auferstehung Jesu währt 50 Tage. Der Auferstandene ist mit seinem neuen Leben nicht nur in dieser Welt gegenwärtig. Er „erscheint“ den Seinen. (vgl. u.a. Joh 20,11 ff. oder Joh 21,1 ff. ) Er ist ein neuer, ein anderer, der bereits eingetaucht ist in das Licht der Ewigkeit. Auferstehung und Himmelfahrt Jesu wurden deshalb nicht unbedingt getrennt betrachtet. Sehr schön sind beide Feste auf einem Elfenbeinrelief, wohl um 400, zusammen gefasst. Auf der sogenannten „Reiderschen Tafel“, sie ist Besitz des Bayerischen Nationalmuseums München, kommen die Frauen zum Grab und finden Jesus. Über dem Grab ergreift der Auferstandene die Hand Gottes, um in den Himmel einzugehen. Ostern, Christi Himmelfahrt und Pfingsten sind eine Einheit, die Zeit der 50 Tage, die Zeit der heiligen Pentecoste. Den Abschluss der Osterzeit bildet das Pfingstfest. Der über alle Himmel heimgekehrte Herr sendet den verheißenen Geist. Bedarf es da noch eines eigenen Festes der Himmelfahrt Jesu? Zunächst wurde das Fest Christi Himmelfahrt zusammen mit dem Pfingstfest gefeiert. Die Heimkehr zum Vater und die Geistsendung bedingen einander. So wurden beide Feste zuerst gemeinsam am Pfingstsonntag begangen. Seit Ende des vierten Jahrhunderts wurden die 40 Tage nach Ostern hervorgehoben und Christi Himmelfahrt eigens zelebriert.

2. Im Neuen Testament

Im Vorwort der Apostelgeschichte, dem ersten Buch nach den Evangelien, finden wir Hinweise auf die Verbundenheit und Einheit von Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten: „Im ersten Buch, lieber Theophilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er in den Himmel aufgenommen wurde. Vorher hat er durch den Heiligen Geist den Aposteln, die er sich erwählt hatte, Anweisungen gegeben. Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; 40 Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen.“

Einige Verse weiter erklärt der Text: „Ihr werdet mit dem Heiligen Geist getauft“ und „ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen.“ Und schließlich: „Er wurde vor ihren Augen emporgehoben“. (Vgl. Apg 1,1 ff. )

Die Gabe des in die Dreifaltigkeit heimgekehrten Herrn ist die Geist-Sendung. Das Johannesevangelium formuliert: „Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe,wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden.“ (Joh 16,7)

Im Lukasevangelium sind es seine letzten Zeilen, die die Heimkehr Jesu zum Vater beinhalten: „Und ich werde die Gabe, die mein Vater verheißen hat, zu euch herabsenden. Bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werdet. Dann führte er sie hinaus in die Nähe von Betanien. Dort erhob er seine Hände und segnete sie. Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben.“ (Lk 24,49 ff.)

Auch das Markusevangelium endet mit dem Bericht der Himmelfahrt Jesu: „Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes.“ (Mk 16,19)

So wundert es nicht, dass die Himmelfahrt Jesu ein eigenständiges Fest im Kirchenjahr geworden ist. Im Osten und im Westen wird es unter die Hochfeste gezählt.

3. Ein Blick in die Liturgie

Der eben erwähnte Markusbericht ist das Festevangelium im alten römischen Ritus. Heute wird seitens der römisch-katholischen Kirche im Dreijahreszyklus abwechselnd auch Lukas und Matthäus verwendet. Bei Matthäus ist die Himmelfahrt nicht explizit genannt. Im byzantinischen Ritus nimmt man den Lukasbericht.

Beliebt ist in allen Liturgien Vers 6 aus Psalm 47: „Gott steigt empor unter Jubelklang, der Herr beim Schalle der Posaune.“ Nach Zählung der Septuaginta ist es Psalm 46. Jahwe nimmt den Sion als seinen Thronsitz ein. Nun sitzt der Menschensohn zu seiner Rechten.

Die Anamnese der Anaphora der Johannes Chrysostomus Liturgie erinnert daran: „Wir sind eingedenk … der Auffahrt in den Himmel, des Sitzens zur Rechten …“ Auch erinnert der „Ritus des Thrones“ innerhalb dieser Liturgie an den in den Himmel zurückgekehrten Herrn: „Gesegnet bist du auf dem Throne der Herrlichkeit deines Reiches, der du thronst auf den Cherubim allezeit…“ Er wird nach dem Trishagion und vor den Lesungen im Altarraum vollzogen.

Im Nizäno-Konstantinopolitanum sind Ostern und Himmelfahrt zusammengefasst: „… er ist auferstanden am dritten Tage nach der Schrift, aufgefahren in den Himmel und sitzt zur Rechten des Vaters …“

4. Ein wenig Kirchengeschichte

Weil Christus aufgefahren ist und zur Rechten Gottes thront, hieß der Himmelfahrtstag bei den Kappadokiern, den herausragenden Theologen des vierten Jahrhunderts, „der errettete“, im Sinn von der vollendete. Das Erlösungswerk ist vollbracht. Die Errettung vom Tod ist vollständig durchgeführt. Die menschliche Natur Christi ist erhöht in die Himmel. Dies gilt für uns alle, die an ihn glauben. „Gott aber … hat uns in Christus Jesus mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel …“ (Vgl. Eph 2,6). Gregor von Nyssa sagt in seiner Rede auf die Himmelfahrt Christi: „Denn vollbracht ist bereits das Geheimnis des Todes und der Sieg über die Feinde erfochten und das Zeichen des Sieges über sie, das Kreuz, errichtet.“

Die Kappadokier fanden die Formel der Gleichheit der drei göttlichen Personen. Basilius der Große (330–379) schrieb das erste Buch über den Heiligen Geist.

Ähnlich formuliert das V. Buch der Apostolische Konstitutionen im 19. Kapitel: „…feiert das Fest der Aufnahme des Herrn, an welchem er, nachdem er die ganze Ökonomie und Anordnung des Heils erfüllt hat, zum Vater, der ihn gesandt hat, zu Gott emporstieg …“

Der hl. Cyrill (313–386) von Jerusalem predigte den Katechumenen: „Nachdem Jesus den Leidensweg vollendet und die Menschen von Sünden erlöst hatte, stieg er wieder zum Himmel empor“.

Ganz in der Tradition byzantinischer Theologie steht der hl. Kyrill von Turow (1130–1182), wenn er schreibt: „Beim in den Himmel auffahrenden Herrn ist auch die Christus verlobte Kirche aus den Heiden gegenwärtig … Dieses Fest ist für uns ehrwürdiger geworden als die anderen, dieses Fest ist voller Freude und Frohlocken.“

5. Abschließende Gedanken

Die Prophetien, die Lesungen der Vesper am Vorabend des Festes nach byzantinischem Ritus, laden uns ein, uns aufzumachen und hinauf zusteigen zum Berg des Herrn, denn „seine Füße stehen an jenem Tag auf dem Ölberg. Er, der die Kelter allein trat, ging durch Leiden und Tod.“ (Vgl. Jes 2,1–2; Jes 62,10–63,9; Sach 14,1.4–8.11)

Heute kehrt er zurück über alle Himmel, um eins zu sein mit Vater und Geist. Der hl. Nikolaj Velimirovic (1880–1956) sagt, „durch seine Auffahrt lehrt er uns alle, unser Streben zum Himmel und nicht auf die Erde zu richten.“ (vgl. Prolog, 5. Mai) Vom Himmel wird uns Gottes Geist gesandt. „Christ wird man, und Christ bleibt man, wenn der menschliche Geist vom Heiligen Geist erfüllt wird.“ formuliert Justin von Celije (1894–1979).

[Christi Himmelfahrt: Mitschurin/Bulgarien, 16. Jh.]

Betrachten wir eine Ikone der Himmelfahrt Christi, können wir erkennen, dass die allheilige Gottesgebärerin es ist, die um das Heilsgeschehen auch dieses Tages weiß. Ich habe eine russische Ikone des 15. Jahrhunderts vor Augen. Im Zentrum steht Maria. Sie ruht in sich. Ihre Hände sind zum Gebet erhoben. Sie ist die einzige, die begreift oder längst begriffen hat. Und die Apostel? Sie sind aufgeregt, denn ihre Hände gestikulieren wild. Sie schauen nach oben, sie schauen sich an. Sie scheinen sich zu fragen: „was geht hier vor sich?“ Christus ist bereits von Engeln umgeben und entschwindet ihnen. Wie Maria sind auch wir eingeladen zu verstehen und zu bekennen: „Gott erweckte Christus von den Toten und setzte ihn zu seiner Rechten.“ (vgl. Eph 1,20)

Im Ritus von Byzanz kommt dieser Zusammenhang schön zum Ausdruck, wenn am Vortag von Christi Himmelfahrt noch einmal die Liturgie des Auferstehungstages gefeiert wird. Nur die Schriftstellen (lectio continua) sind andere. Am Dienstag vor Himmelfahrt wird noch einmal der Oster-Orthros, der Kanon der Osternacht, gesungen. Viele Feste haben eine Nachfeier. Diese kann von einem Tag, über eine Woche (Oktav) — oder bei Ostern eben 40 Tage betragen. Ab dem Himmelfahrtstag werden die österlichen Besonderheiten aufgegeben. Es ist doch sehr verwunderlich, wenn in der Presse deshalb von einer Verschiebung des Osterfestes gesprochen wird. In diesem Jahr ist der Tag der Abgabe des Osterfestes der 27. Mai. Wenn es dann (durch das Coronavirus bedingt) leichter ist als zum ursprünglichen Termin, den Gottesdienst zu besuchen, ist es durchaus sinnvoll zu diesem Tag besonders zum Gottesdienst einzuladen. Mit einer Verlegung von Ostern hat dies nicht das geringste zu tun.

Die moderne Psychologie hat darauf hingewiesen: es tut gut, einen Feiertag inmitten der Woche zu begehen. Einmal in der Mitte der Woche innezuhalten und abzuschalten, um ein Festgeheimnis zu meditieren, ist ein Segen für den Menschen. Den Segen des Herrn, der zum Himmel aufsteigt,

wünscht Ihnen

Joachim Danz

Literatur

Apostolische Konstitutionen und Kanones. BKV1, Bd. 19. Kempten 1874

Cyrill von Jerusalem, Mystagogische Katechesen. BKV2, I. Reihe, Bd. 41. Kempten 1922

Gregor von Nyssa, Ausgewählte Reden, BKV1, Bd. 70. Kempten 1880

Hossfeld, F./Zenger, E., Die Psalmen I, Würzburg 1993

Hryniewicz, W., Die altrussische Passatheologie und Osterspiritualität bei Kyrill v. Turow, Lüdenscheid-Lobetal 1987 (Manuskript)

Jusin von Celije, „Auslegung des ersten Briefes an die Thessalonicher“, in: Der Bote 1, München 2020

Messlektionar, Freiburg 1985

Schott, A., Römisches Messbuch, Freiburg 1963

Velimirovic, N., Der Prolog von Ochrid, Apelern 2009