Attende, Domine, et miserere — Merk auf, o Herr, und hab Erbarmen (UPDATE)

[Maiestas Domini, Apsis-Fresko: San Clemente, Tahull, Katalonien, ca. 1123]

Einer der schönsten Gesänge der Großen Fastenzeit (vorösterlichen Bußzeit) in der westlichen Tradition ist das Attende Domine et miserere, welches sich der hispano-mozarabischen Kirche verdankt und mehr als ein Jahrtausend alt ist. Bislang mangelte es an einer (gereimten) Übertragung dieses Hymnus in die deutsche Sprache. Überhaupt ist dieser Hymnus in deutscher Übersetzung oder Übertragung bisher wohl kaum gesungen worden. Denn der landläufig auf die spätgregorianische Melodie des Attende gesungene Text „Bekehre uns, vergib die Sünde“ von Josef Seuffert (1926–2018) ist gerade keine Übertragung des Attende, sondern eine Neuschöpfung, die sich vom existenziellen Ernst des lateinischen Originals in Form und Inhalt bewusst abhebt — und dabei leider auch eine deutliche Bezugnahme auf den Kreuzestod Jesu meidet. Eine flüssige Übersetzung dieses Hymnus ins Deutsche, idealerweise in Reimform, ist derzeit mithin noch ein Desiderat. Zur Anregung der Diskussion hierüber veröffentlichen wir nach der lateinischen Fassung auch einen aktuellen Entwurf aus der Werkstatt unserer liturgischen Kommission.

4. Tibi fatemur crimina admissa:
contrito corde pandimus occulta:
tua, Redemptor, pietas ignoscat. ℟

5. Innocens captus, nec repugnans ductus,
testibus falsis pro impiis damnatus:
quos redemisti, tu conserva, Christe. ℟

Deutsche Übertragung
auf die gleiche Melodie

Strophen 4-5:

Anmerkung

In der 5. Strophe wurde von der lateinischen Vorlage am stärksten abgewichen: Denn laut den kanonischen Evangelien spielten die falschen Zeugenaussagen aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit nicht die entscheidende Rolle bei der Verurteilung Jesu. Der unmittelbare Kontext (testibus falsis pro impiis) legt nahe, dass es sich hierbei um eine implizite antijüdische Spitze handelt. Die obige deutsche Übertragung der 5. Strophe greift den Gedanken von Röm 5,8 auf — und lenkt zugleich den Blick direkt auf den Gipfel der heiligen Vierzig Tage, das Opfer von Golgatha. Der Hymnus kann somit, wo dies ansonsten passend ist, auch während der gesamten Karwoche noch gesungen werden.

F.I.H.