Veni Sancte Spiritus! — Komm, Heiliger Geist!

[Herabkunft des Heiligen Geistes: aus einem englischen Missale, ca. 1310]

Allen Lesern dieser Seite seien vorab gesegnete, gnadenreiche Pfingsten gewünscht. Es lohnt, an diesen Festtagen einen näheren Blick auf zwei der schönsten und bedeutendsten Gebete zum Heiligen Geist aus der westlichen und der östlichen Tradition zu werfen. Dabei handelt es sich zum einen um das Einleitungsgebet des byzantinischen Ritus, zum anderen um den festlichen Zwischengesang (Sequenz) der römischen Messliturgie zu Pfingsten, der dort zwischen Lesung und (Ruf vor dem) Evangelium erklingt.

Das erste Gebet wird im byzantinischen Ritus zu Beginn eines jeden Gottesdienstes und zu Beginn jeder Gebetszeit gesprochen. Es ist zudem auch in den altorientalischen Kirchen bekannt; so erscheint es zum Beispiel im koptischen Stundenbuch, der Agpeya. Bei dem zweiten Gebet handelt es sich um die Pfingstsequenz des englischen Erzbischofs Stephen Langton (ca. 1200). Diese gehört zu den wenigen Zwischengesängen der Messliturgie, die auch nach der römisch-katholischen Liturgiereform von 1970 verbindlich geblieben sind.

Obgleich also ihr liturgischer „Sitz im Leben“ ganz verschieden ist, fallen doch mehr inhaltliche Parallelen als Unterschiede auf: Beide Gebete richten sich ganz klar an eine göttliche Person, nicht an eine undefinierte „kreative Kraft“. Beide adressieren den Heiligen Geist als „Tröster“ (parakletes bzw. consolator). Beide wissen um die Rolle des Heiligen Geistes bei der Vermittlung der Offenbarung und Erleuchtung der Menschheit, indem sie ihn als „Geist der Wahrheit“ (to pneûma tês aletheías, Joh 16,13) und „Licht der Seligkeit“ (lux beatissima, wörtlich: „seligstes Licht“) anreden. Beide erkennen im Geist den Hort oder Schatz (thesaurós) und Spender (dator) aller guten Gaben. Beide sprechen, ob direkt wie im byzantinischen Einleitungsgebet oder wie in der lateinischen Pfingstsequenz eher indirekt-poetisch (vorletzte Doppelstrophe), von der lebenspendenden Wirkung des Heiligen Geistes, wie sie im Credo definiert ist.

Hier ist natürlich nicht bloß „das nackte Leben“ im Sinne der Biologie, also das Gegenteil vom leiblichen Tod, gemeint. Beide Gebete ersuchen den Heiligen Geist darum, den jeweiligen Beter wahrhaft aufzusuchen und ihm bleibend einzuwohnen (skenoson, eigentlich: „schlag das Zelt auf“ bzw. reple cordis intima, wörtlich: „fülle des Herzens Innerstes“). Beide Gebete wissen nämlich um die zentrale Rolle des Heiligen Geistes bei der Aneignung des Heils durch den einzelnen Gläubigen: Sie bekennen nicht nur die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen in Form von (moralischer oder auch religiöser) Unreinheit und existenziellem Makel, sondern schließen hoffnungsvoll mit der Bitte um das ewige Heil.

In diesem Sinne bitten auch wir in diesen festlichen Tagen — sowohl für uns als auch für die uns Nahestehenden: Komm, Du Geist der Wahrheit, Spender guter Gaben, wohne uns inne. Amen.

Einleitungsgebet des byzantinischen Ritus

Himmlischer König,
Du Tröster und Geist der Wahrheit,
der Du überall bist
und alles erfüllst;
Hort aller guten Gaben
und Spender des Lebens,
komm und wohne uns inne,
reinige uns von allem Makel
und rette, Gütiger, unsere Seelen.
Amen.

Pfingstsequenz des lateinischen Ritus

Melodie: gregorianisch, Übersetzung: Heinrich Bone

F.I.H.

„… aus der Synagoge“

[Christus, der Wurzelspross Isais (Jes 11,10, Mt 1,6):
Kapuziner-Bibel, Ende des 12. Jh. (Paris, BNF lat. 16746, fol. 7v)]

Das Evangelium an diesem Sonntag Rogate (Joh 15,26–16,4) bezeugt — obgleich sein Schwerpunkt anderswo liegt — in Joh 16,2 die tiefe Verwurzelung der Kirche im Judentum. Die ersten Christen verstanden sich selbstverständlich als Teil des Judentums, wenngleich gewissermaßen als eschatologische Avantgarde. (Erst nach 70 n.Chr. — mit der sogenannten „Schule von Jamnia“ — kam es zum Ausschluss der Judenchristen aus den Synagogen, da insbesondere die Sadduzäer in Jesus von Nazareth nicht den verheißenen Messias erkannten.) Jesus Christus, die heilige Maria, der Zwölferkreis, die Siebzig Jünger, die gesamte Jerusalemer Urgemeinde — sie alle kamen aus jüdischen Familien und praktizierten die jüdische Religion ihrer Eltern.

Warum etwas so Selbstverständliches gesagt werden muss? Um zu verdeutlichen, dass Christen unmöglich schweigen können, wenn in diesen Tagen ausgerechnet hierzulande wieder Davidsterne angezündet, Synagogen vom Mob bestürmt und antisemitische Parolen gebrüllt werden. Es ist keine Islamophobie darauf hinzuweisen, dass die Tatverdächtigen, wie jüngst in Gelsenkirchen, offensichtlich auch ein Teil der muslimischen Gemeinschaft sind — wenngleich sie ganz sicher nicht für diese in ihrer Gesamtheit sprechen. Um dem neuen wie dem alten Antisemitismus entgegenzutreten, ist es wichtig, etwaige ideologische Katalysatoren zu kennen und öffentlich zu benennen. Den Respekt vor anderen Buchreligionen, der in der islamischen Überlieferung ja durchaus vorkommt, haben die „Demonstranten“ von Gelsenkirchen jedenfalls in ihrem Umfeld nicht gelernt.

Israel hat wie jeder andere Staat selbstverständlich das Recht und die Pflicht, seine Bevölkerung gegen Angriffe von außen zu verteidigen. Wer konkrete Anfragen zur Politik der amtierenden israelischen Regierung hat, kann sich an die israelische Botschaft und ihre Außenstellen wenden. Deutsche Synagogen und die jüdischen Gemeinden in Deutschland, die es trotz der Schoa glücklicherweise wieder gibt, sind dafür ganz gewiss nicht der richtige Ort.

F.I.H.