Eine Firmpredigt

Bischöflich geweihtes Salböl (Chrisam) vor Kelch und Patene, darunter Korporale und Antimension

Lieber Pfarrer Daniel, liebe Firmkandidatin,
liebe Brüder und Schwestern!

An diesem festlichen Tag freue ich mich sehr, euch jemanden vorstellen zu dürfen. Nein, es handelt sich nicht um die Firmkandidatin: Sie kann gut für sich selbst sprechen … und ihr habt sie ja bereits kennen gelernt!

Es handelt sich um eine Person, die etwas zurückhaltend ist, sich nicht in den Vordergrund drängt. Zuweilen wird sie deshalb auch unterschätzt und missverstanden. Manche halten sie gar für eine bloße unpersönliche Kraft. [Andere wiederum meinen, sie müsse unbedingt als weibliche Person angeredet werden, unter Berufung auf das Genus des hebräischen Wortes ruach.]

Die Person, von der ich spreche, ist zwar zurückhaltend, doch durch ihr Handeln durchaus wahrnehmbar – ganz besonders von Menschen guten Willens. Manche würden sagen, sie sei die Kreativität in Person; das ist auch nicht ganz unzutreffend, aber doch eine ziemlich unvollständige Beschreibung.

Wie gesagt, trotz mancher Parallelen: Es handelt sich nicht um unsere heutige Firmkandidatin. Bevor ich das Geheimnis lüfte, nenne ich noch die Haupttätigkeit der Person: Sie ist ein Sachwalter, ein Beistand, nicht unähnlich einem Rechtsbeistand. Sie ist ein Advokat, im wörtlichen Sinne eines „(zur Hilfe) Herbeigerufenen“ – wofür der Urtext des Neuen Testaments das Wort parakletos verwendet. Aber um welchen Advokaten handelt es sich hierbei? Doch nicht etwa um den sprichwörtlichen advocatus diaboli? Natürlich nicht, das sei ferne! Vielmehr geht es um dessen genaues Gegenstück: um den Beistand der Christgläubigen, den Heiligen Geist.

Betrachten wir nun dessen Eigenschaften: Wie jeder gute Anwalt drängt Er sich nicht in den Vordergrund; Er wird nicht tätig, ohne mit einem klaren Mandat herbeigerufen oder ausgesandt worden zu sein. Deshalb ruft Ihn die Kirche bei allen Sakramenten (explizit oder implizit) herab. [Die Theologen bezeichnen dies mit dem griechischen Lehnwort Epiklese.]

Der Heilige Geist ist eine Person, nicht bloß eine kreative Kraft. So schön und richtig es ist, Ihn mit Ps 104* als Lebensspender zu feiern, darf man Sein Wirken nicht auf das rein Schöpferische reduzieren. Eine Kraft, und sei es eine kreative Kraft, kann wohl kaum in dem Sinne lehren und trösten, wie Jesus es in unserem Evangelium beschreibt (Joh 14,26*). [Wäre der Heilige Geist eine bloße Kraft, könnte man auch nicht erklären, dass Jesus hier und anderswo männliche Pronomina für Ihn verwendet, obgleich es doch im griechischen Urtext – wo das Wort für Geist, pneuma, sächlich ist – grammatikalisch einfacher wäre, Ihn als Neutrum zu behandeln.] Obgleich Er körperlos ist, muss der Heilige Geist im Lichte des Neuen Testaments männlich angeredet werden.

Das Werk des Heiligen Geistes, Sein Beistehen, kann wahrgenommen werden – jedenfalls von Menschen guten Willens, zuweilen sogar öffentlich. Sonst hätten Petrus und Johannes ja in der Begebenheit unserer Lesung (Apg 8,14–17*) gar nicht wissen können, dass der Heilige Geist seitens der (durch Diakon Philippus) Neugetauften in Samarien noch nicht empfangen worden war. [Sonst hätte auch Petrus nicht erkannt, dass die Hörer seiner Predigt im Hause des Kornelius den Heiligen Geist bereits empfangen hatten, vgl. Apg 10,47.] Gelegentlich ist Sein Wirken sogar spektakulär: Man denke nur an das Pfingstwunder (Apg 2,6) — und an die zahlreichen anderen erstaunlichen Begebenheiten, die sich in der Kirchengeschichte immer dann ereignet haben, wenn das Evangelium zum ersten Mal unter einem Volk verkündet wurde.

Das Werk des Heiligen Geistes in den Gläubigen ist keinesfalls mit Ekstase gleichzusetzen. Vielmehr besteht es zuvörderst darin, die Gläubigen mit besonderen Gaben auszurüsten. In Jes 11,2f werden diese sieben Gaben aufgezählt [und wurden von dort — über Septuaginta und Vulgata, also die griechische und die lateinische Übersetzung des Alten Testaments — in die traditionelle westliche Firmliturgie übernommen]: Weisheit, Einsicht, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit / Gottesfurcht.

[Diese Gaben können übrigens nicht eindeutig gegenseitig abgegrenzt werden, die semantischen Bereiche überlappen; z.B. ist ja die Furcht des Herrn der Anfang der Weisheit laut Ps 111,10, Spr 9,10. In der hebräischen Bibel sind es in Jes 11,2 eigentlich nur sechs Gaben, obgleich von Gottesfurcht in Jes 11,3 ein zweites Mal die Rede ist — möglicherweise eine Dittographie. Die Sieben als symbolische Zahl der Vollkommenheit drängt sich im Zusammenhang mit dem Heiligen Geist natürlich geradezu auf, vgl. auch z.B. Offb 1,4.]

Alle sieben Gaben verweisen auf geistige Aktivitäten. Damit stimmt überein, dass Jesus das Lehren und Vertiefen von Christi Botschaft als zentrales Wirken des Heiligen Geistes herausstellt. Dabei müssen allerdings die Begriffe recht verstanden werden. Mit ,Erkenntnis‘ [in der Vulgata, also der lateinischen Übersetzung des Alten Testaments, und in der Firmliturgie: scientia, „Wissenschaft“] ist hier das Ergründen, Systematisieren, Durchdringen von Gottes Offenbarung gemeint — sowohl der Offenbarung Gottes in der Schöpfung wie auch der Offenbarung Gottes in der Geschichte Israels und vor allem in Seinem fleischgewordenen Wort Jesus Christus, wovon die Schriften des Alten und Neuen Testaments zeugen.

Diese Art von Erkenntnis bzw. Wissenschaft ist nicht bloß graue Theorie. Wirkliche theologische Einsicht erweist sich darin, den Willen des Schöpfers und Erlösers sowohl zu erkennen als auch umzusetzen. Sie zeigt sich also nicht nur im Wissen über Gott und Sein Wesen — und auch nicht nur in der korrekten Verehrung Gottes im religiösen Rahmen. Vielmehr zeigt sie sich gerade auch darin, wie wir den Menschen begegnen, die Gott als Seine Abbilder (Gen 1,27) in unser Leben gestellt hat; diese sind gewissermaßen Ikonen Gottes – zuweilen durch die Sünde entstellt, doch nie völlig unkenntlich.

Die Fülle der Gaben des Heiligen Geistes, die heute unsere Kandidatin erhalten soll, ist wie der Setzling eines Baumes. Ein solcher Setzling bedarf einer gewissen Aufmerksamkeit. Er muss in eine Umgebung gepflanzt werden, wo er nicht von Unkraut erstickt oder gar niedergetrampelt wird. Für den Heiligen Geist ist eine förderliche Umgebung das gereinigte Herz, welches ja, liebe Kandidatin, dein Firmspruch erbittet: Ps 51,12. Dann aber bringt der Setzling gewiss die gute Frucht, an der man einen guten Baum erkennen kann (vgl. Mt 12,33). Als Früchte des Heiligen Geistes zählt der Apostel Paulus denn auch wunderbare Tugenden auf (Gal 5,22f): Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung.

Wie erlangen wir nun diese Gaben, woher können wir einen solchen Setzling nehmen, der solche Frucht zeitigt? Will heißen: Wie können wir heute noch den Heiligen Geist empfangen? Nun, wie wir eben gehört haben, hat Christus der apostolischen Kirche den Heiligen Geist als bleibenden Beistand verheißen (Joh 14,27) – und dieser Beistand wird, wie die Lesung bezeugt, seit ältester Zeit durch die Apostel bzw. ihre Nachfolger mittels Handauflegung und Gebet den einzelnen Gläubigen mitgeteilt. Mit anderen Worten: Die Firmung durch einen Apostelnachfolger/Bischof oder einen hierzu von ihm beauftragten Priester ist die sakramentale Garantie für die Versiegelung mit dem Heiligen Geist.

Um es noch deutlicher zu sagen: Aus eigener Kraft wird es uns nicht gelingen, ein Leben zu führen, dass stets und uneingeschränkt tugendhaft ist. Dazu bedarf es [zumindest seit dem Sündenfall] einer ganz besonderen Gnade. Eben hierzu dienen die Gaben des Heiligen Geistes. Wenn wir denn unser Herz reinigen (z.B. auch durch das Sakrament der heiligen Beichte) und uns mit Dankbarkeit an die Gaben des Heiligen Geistes erinnern, um sie zu erwecken, können wir alsbald erste Früchte ernten. So werden wir ein tugendhaftes Leben sowohl anstreben (durch die Gabe der Einsicht) als auch in die Tat umsetzen (durch die Gabe der Stärke).

Dank Jesu Verheißung dürfen wir nun darauf vertrauen, dass derselbe Geist auch heute dem neuen Mitglied unserer Kirchengemeinde zuteil wird. So mögest auch du, liebe Firmkandidatin, durch die Gaben des Heiligen Geistes die wunderbare Erfahrung machen, wie Gott in dir wirkt und gute Frucht wachsen lässt. Mit den Worten des Apostels Paulus: Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt. (Phil 2,13) Amen.

* Votivmesse um die Gnade des Heiligen Geistes;
biblische Texte/Perikopen: Ps 104; Apg 8,14–17; Joh 14,23–31a.

Gehalten am 5. September 2021 in der nordisch-katholischen Mission St. Willibrord im Sauerland.

[F.I.H.]