Stellungnahme zur umstrittenen Vereinsgründung in der Diözese Würzburg

Domstadt Würzburg (H. Helmlechner CC BY-SA 4.0)

Auszug aus einer Antwort auf eine Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA)

Wir dokumentieren in Auszügen die Antwort von Generalvikar Dr. Dr. Daniel Gerte auf die Fragen der KNA (kursiv, redaktionell angepasst). Anlass der Anfrage war die Gründung des ‚Vereins für christliche Seelsorge in Freiheit‘ durch einen suspendierten römisch-katholischen Diakon, einen früheren römisch-katholischen Priester und einen aus dem Dienst ausgeschiedenen nordisch-katholischen Diakon.

KNA: Trifft die Information zu, dass Dietholf Schröder seit 2014 Diakon der nordisch-katholischen Kirche ist? Nimmt er einen Seelsorgeauftrag wahr?

Generalvikar Gerte: Dietholf Schröder wurde im Jahr 2014 zum Diakon der nordisch-katholischen Kirche ordiniert. Er verließ im Jahr 2018 die nordisch-katholische Kirche und ist ihr in diesem Jahr wieder beigetreten; er wurde aber bisher weder erneut inkardiniert, noch besitzt er einen Seelsorgeauftrag im Namen der nordisch-katholischen Kirche.

KNA: Herr Schröder hat mit einem römisch-katholischen Diakon und einem ehemals römisch-katholischen Priester vor drei Wochen eine neue Organisation namens „Verein für christliche Seelsorge in Freiheit“ gegründet. Ist Ihnen dazu etwas bekannt? Falls ja, wie stehen Sie dazu?

Generalvikar Gerte: Über die Gründung des ‚Vereins für christliche Seelsorge in Freiheit‘ sind wir informiert worden. Natürlich begrüßen wir die Absicht des Vereins, Menschen in seelsorglichen Notsituationen beizustehen. Kritisch sehen wir das beschriebene Vorhaben, Sakramentenspendung ohne Bindung an die Kirche zu ermöglichen (vgl. MainPost vom 14.06.23). Nach unserer ekklesiologischen Überzeugung — im Anschluss an die alte, ungeteilte Kirche — erfordert die Feier und Spendung der Sakramente in aller Regel die Einbindung in die Gemeinschaft der Kirche und einen bischöflichen Auftrag.

Wir hoffen, dass der entstandene Konflikt zwischen den beteiligten Personen und dem Bistum Würzburg so bald wie möglich beigelegt wird. Eine Beteiligung an dieser Auseinandersetzung liegt uns fern.

Pressekontakt:

Dr. Dr. Daniel Gerte
Generalvikar
gerte@nordischkatholisch.de

Neue bischöfliche Aufsicht für die deutsche Administratur

Bischof Dr. Roald N. Flemestad mit Bischof Ottar M. Myrseth

Die internationale Bischofskonferenz (ICBC) der altkatholischen Union von Scranton hat auf ihrer Sitzung am 24. April 2023 den Wechsel der bischöflichen Aufsicht für die deutsche Administratur der Nordisch-katholischen Kirche beschlossen. Die Amtsgeschäfte wurden von dem bisherigen bischöflichen Delegaten der Union von Scranton, Bischof Dr. Roald Nikolai Flemestad, an den Diözesanbischof der Nordisch-katholischen Kirche in Skandinavien, Bischof Ottar Mikael Myrseth, übergeben.

Im Jahr 2012 gründete Bischof Dr. Flemestad im Auftrag der Union von Scranton eine mitteleuropäische Administratur als Mission der Nordisch-katholischen Kirche Skandinaviens und entwickelte diese in den Folgejahren segensreich weiter. Es entstanden Gemeinden in Bayern, Ungarn, Nordrhein-Westfalen, der Slowakei, Norditalien und Rheinland-Pfalz. In der Administratur beheimatet sind der Orden von Port Royal mit dem Kloster in Kaufbeuren und die Augustinus-Gemeinschaft. Die Verwaltung weltlich-juristischer Angelegenheiten kommt dem — von Bischof Flemestad als kirchlicher Verein anerkannten — Martinuswerk e.V. zu.

Um die geleistete Arbeit und die großen Verdienste zu würdigen, wird für Bischof Roald Nikolai und seine Frau Kirsten Flemestad eine feierliche Verabschiedung in Deutschland stattfinden. Möge der Herr ihren weiteren Lebensweg segnen!

Der Weg, die Wahrheit und das Leben

Apostel Philippus: Triumphbogen-Mosaik, Basilika von San Vitale, Ravenna (Richard Mortel CC-2.0)

Apostel Philippus u. Jakobus d.J.

Aus den Eigentexten zur heiligen Eucharistie des Hochfests (1. Mai)

Introitus

Ps 133

Seht, wie schön und wie lieblich ist’s,
wenn Brüder auch friedlich beisammen wohnen!

2Das gleicht dem köstlichen Öl auf dem Haupt,
das herabtroff in den Bart,

in Aarons Bart, der niederwallte
auf den Saum seiner Gewandung.

3Es gleicht dem Hermon-Tau, der niederfällt
auf die Berge Zions;

denn dorthin hat der HERR den Segen entboten,
Leben bis in Ewigkeit.

Tagesgebet

Allmächtiger Gott! Dich wahrhaftig zu erkennen bedeutet ewiges Leben. Verleihe uns, dass wir vollkommen erkennen, dass Dein Sohn der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, so wie Du den heiligen Philippus und die anderen Apostel gelehrt hast. Durch denselben Jesus Christus, Deinen Sohn, unseren Herrn, der mit Dir und dem Heiligen Geist, ein einiger Gott, lebt und herrscht, jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen.

Lesung

Jak 1,1–12

Aus dem Brief des heiligen Apostels Jakobus.

Ich, Jakobus, ein Knecht Gottes und des Herrn Jesus Christus, sende den zwölf in der Zerstreuung lebenden Stämmen meinen Gruß. 2Erachtet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchungen geratet; 3ihr erkennt ja, dass die Bewährung eures Glaubens standhaftes Ausharren bewirkt. 4Das standhafte Ausharren muss aber zu voller Betätigung führen, damit ihr vollkommen und tadellos seid und sich in keiner Beziehung ein Mangel an euch zeigt. 5Sollte aber jemand von euch Mangel an Weisheit haben, so erbitte er sie sich von Gott, der allen ohne weiteres und ohne laute Vorwürfe gibt: dann wird sie ihm zuteil werden. 6Nur bitte er im Glauben, ohne irgendeinen Zweifel zu hegen; denn wer da zweifelt, der gleicht einer vom Wind getriebenen und hin und her geworfenen Meereswoge. 7Ein solcher Mensch darf nicht erwarten, dass er etwas vom Herrn empfangen werde, 8er, ein Mann mit geteiltem Herzen, unbeständig auf allen seinen Wegen. 9Es rühme sich aber der niedrig stehende Bruder seiner Hoheit, 10der reiche dagegen seiner Niedrigkeit, weil er wie die Blumen des Grases vergehen wird. 11Denn die Sonne geht mit ihrer Glut auf und versengt das Gras; dann fallen seine Blumen ab, und seine ganze Schönheit ist dahin (Jes 40,6-7): so wird auch der Reiche in seinen Wegen verwelken. – 12Selig ist der Mann, der die Versuchung standhaft erträgt! Denn nachdem er sich bewährt hat, wird er das Leben als Siegeskranz empfangen, den Er denen verheißen hat, die Ihn lieben.

Frohe Botschaft

Joh 14,1–14

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes.

In jener Zeit sprach Jesus: 1»Euer Herz erschrecke nicht! Vertrauet auf Gott und vertrauet auf mich! 2In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, hätte ich es euch gesagt; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten; 3und wenn ich hingegangen bin und euch eine Stätte bereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit da, wo ich bin, auch ihr seid. 4Und wohin ich gehe – den Weg dahin kennt ihr.« 5Da sagte Thomas zu ihm: »Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst: wie sollten wir da den Weg kennen?« 6Jesus antwortete ihm: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. 7Wenn ihr mich erkannt hättet, würdet ihr auch meinen Vater kennen; von jetzt an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.« 8Philippus sagte zu ihm: »Herr, zeige uns den Vater: das genügt uns.« 9Da sagte Jesus zu ihm: »So lange Zeit schon bin ich mit euch zusammen, und (trotzdem) hast du mich noch nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, der hat den Vater gesehen; wie kannst du sagen: ›Zeige uns den Vater!‹ 10Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch rede, spreche ich nicht von mir selbst aus, nein, der Vater, der dauernd in mir ist, der tut seine Werke. 11Glaubet mir, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist; wo nicht, so glaubt doch um der Werke selbst willen!« 12»Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich tue, auch vollbringen, ja er wird noch größere als diese vollbringen; 13denn ich gehe zum Vater, und alles, um was ihr (dann) in meinem Namen bitten werdet, das werde ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht werde. 14Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bitten werdet, so werde ich es tun.

Osterfreude 2023: Der Tod ist überwunden — durch Christus!

Abstieg Christi in die Unterwelt: Fra Angelico, Florenz 1441

Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden, und zwar als Erstling der Entschlafenen. 21Denn weil der Tod durch einen Menschen gekommen ist, erfolgt auch die Auferstehung der Toten durch einen Menschen. 22Wie nämlich in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle wieder zum Leben gebracht werden.

Introitus des Ostermorgens (1 Kor 15,20–22)

Allmächtiger Gott! Du hast durch Deinen eingeborenen Sohn den Tod überwunden und uns so die Tür zum ewigen Leben geöffnet. Wir bitten Dich in Demut: Schenke, dass wir die guten Begierden, die Du durch Deine zuvorkommende Gnade in uns geweckt hast, durch Deine beständige Hilfe auch zur Ausführung bringen. Durch Jesus Christus, unseren Herrn, der mit Dir und dem Heiligen Geist, ein einiger Gott, lebt und herrscht, jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen.

Tagesgebet des Ostertages

Wir wünschen allseits frohe, gesegnete Ostern,
voll Freude über die Auferstehung unseres Herrn!

Die Theosis, das Ziel des Lebens

Michelangelo: Die Erschaffung Adams (Detail), Sixtinische Kapelle, um 1510

Eine Fastenpredigt von Br. Josef Obl.OPR

„Rette dich selbst und auch uns“

Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch uns! (Lk 23,39)

„Tja, das war’s dann wohl mit der Revolution in Israel”, dachte sich offenbar der spottende Mitgekreuzigte. „Dieser Messias ist endlich hingerichtet, die Römer sind immer noch die Herrscher und die Aussicht auf Auferstehung ist nicht glaubhaft. Das Evangelium ist eine fromme Geschichte und die daraus entstandene religiöse Bewegung keine Lösung für die Probleme dieser Welt, sondern eine Enttäuschung für die Menschen, die auf dieser Welt leben.“ So oder ähnlich muss sein Gedankengang gewesen sein.

Seit Anbeginn scheint der Mensch mit sich und seinem Umfeld unzufrieden zu sein. Die Sehnsucht nach Zufriedenheit war stets der Ansporn für räumliche und persönliche Entwicklung. Doch so sehr sich der Mensch auch weiterentwickelte, er sich zivilisierte, bildete und organisierte, so richtig zufrieden mit sich und seiner Umwelt ist er bis heute nicht. Die Sehnsucht nach dem neuen, besseren Menschen, meist geht sie einher mit der Vorstellung von einer anderen, besseren Gesellschaft, hat sich im Nachhinein immer als Utopie erwiesen.

Mal war der neue Mensch das Ziel der gesellschaftlichen Neuordnung, ein anderes Mal die neue Gesellschaft das Ziel der menschlichen Anstrengung. So herum oder anders herum, bislang sind derartige Pläne nie aufgegangen.

Warum nicht? Diese Frage wird von wiederum ganz weisen Menschen auf ähnliche Weise beantwortet: „Wenn du eine bessere Gesellschaft willst, dann fange bei dir selbst an“ Oder: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir für diese Gesellschaft wünschst“ Aber, wo ist er denn nun, der neue Mensch, die perfekte Gesellschaft? Liegt es am mangelnden Willen oder am persönlichen Unvermögen, dass solche Weisheiten noch nicht zu paradiesischen Verhältnissen geführt haben? Was bleibt dir da anderes übrig, als dich selbst zu verwirklichen?

Eltern und Großeltern, Tante oder Onkel, Freunde, Lehrer, Ärzte, Psychologen, Heilpraktiker, Autoren, Coachs und Pastoren usw. …es gibt viele Menschen, die zu wissen glauben, was für dich das Beste ist. Und all diese „Wissenden“ sind sich zumeist einig darüber, dass es am besten ist, auf dich selbst zu hören, „in dich zu gehen, in dich hinein zu hören“, denn am meisten Zeit hast du mit dir selbst verbracht. Und deshalb bist du es, der dich am besten kennt. So wirst du also eines Morgens während des Zähneputzens in den Spiegel schauen und dir einen guten Vorsatz nehmen, der dein Leben verändern wird … ein Vorsatz der ebenso durch den Abfluss des Waschbeckens verschwinden wird, wie die tausend anderen guten Vorsätze.

Der Sozialismus, der Kommunismus, die Befreiungstheologie und andere gutgemeinte Ideologien sollten die Menschheit in ihrer Entwicklung weiter voranbringen und die Gesellschaft verbessern. Aber, gescheitert ist es bisher am Menschen oder an der Menschheit oder an der Gesellschaft oder, oder, oder. Der Mensch ist ein egoistischer Individualist, meinte Karl Marx – für diese Erkenntnis müssen wir ihm nicht dankbar sein, das erkennen wir ebenfalls wenn wir morgens in den Spiegel oder in die Geschichtsbücher schauen. So sind dann immer wieder in der Geschichte der Menschheit irgendwelche „Alphatiere“ aufgetaucht, die den Plan für die bessere Welt und den glücklichen Menschen „in der Tasche“ hatten.

Nun ist wieder so ein „Erlöser“ aufgetaucht. Oder sind es mehrere? Auf dem von Politikern und Prominenten frequentierten World Economic Forum (WEF) jedenfalls wird, so scheint es, eine neue Weltordnung anvisiert, die den Menschen glücklich, die Gesellschaft friedlich und die Erde gesund machen soll. Eine bessere Gesellschaft, zufriedene Menschen, eine bessere Welt — all das hat sich auch unsere Bundesregierung vorgenommen und fördert alles was aus ihrer Sicht dazu beiträgt, dass der Mensch endlich er/sie/queer zufrieden sein kann, nicht mehr von sich selbst entfremdet, sondern endlich ganz er selbst. Befreit auch von der Bevormundung durch — die Religion.

Vermeintlich schlaue Leute, Politiker usw. wollen alles, was sich aus ihrer Sicht nicht stimmig anfühlt, als unheilvoll anfühlt oder ankündigt, aus dem Wege schaffen. Das hört sich doch ganz o.k. an und klingt sogar nach einer religiösen Verheißung, wenn kirchliche Organisationen und Amtsträger die aktuelle Politik ausdrücklich dabei unterstützen. Irgendwie klingt das sogar so, als sei die Menschheit jetzt endlich auf dem richtigen Weg zur freien, selbständigen Schöpfung, auf dem Weg in eine auf beste Lebensverhältnisse begründete „neue Welt“. So scheuen sich etliche unserer Politiker und Meinungsbildner auch nicht, die Fernsehzuschauer, Internetnutzer und Zeitungsleser etc. durch große wohlklingende Worte zu berauschen… und kirchliche Vertreter wirken daran mit und versprechen teilweise sogar „Erlösung“ im Diesseits – in einer besseren Welt mit besseren Menschen.

„Ihr seid Götter!“

Unzählige Male ist mir dieser Ausspruch in den vergangenen Tagen begegnet und sogar als Bibelstelle genannt worden, teilweise mit einer haarsträubenden Exegese oder als Schlagwort ohne Kontext. Die Bibelstelle der dieser Ausruf entnommen ist, ist Psalm 82,6 … und es lohnt sich, den vorangehenden und den darauffolgenden Vers gleich mit zu betrachten:

Sie erkennen nicht, verstehen nichts, / sie wandeln umher in Finsternis. Alle Grundfesten der Erde wanken. Ich habe gesagt: Ihr seid Götter, ihr alle seid Söhne des Höchsten. Doch nun sollt ihr sterben wie Menschen.

Ps 82,5-7

Im Johannesevangelium (10,34) berichtet uns der heilige Verfasser, dass Jesus gegenüber den Hohenpriestern auf diesen Satz aus Psalm 82 verweist:

Jesus antwortete ihnen: »Steht nicht in eurem Gesetz geschrieben: ›Ich habe gesagt: Ihr seid Götter‹?« 

Joh 10,34

Und den Hohenpriestern ging es mit dieser Aussage nicht anders als uns heute — und so trifft auf den modernen Menschen der heutigen Zeit genau das zu, was der Psalmist in Ps 82,5 beschreibt: „Sie erkennen nicht, verstehen nichts.“

Wer die Verse Ps 82,6 oder Joh 10,34 isoliert für sich betrachtet und nicht im Gesamtkontext der Heiligen Schrift interpretiert, der kann in sie beliebig viel Unsinn hineinlesen — und diese Stellen zur Rechtfertigung von jeglicher Form der Selbstverwirklichung anbringen. Vor einer derartigen Interpretation der Heiligen Schrift hat bereits der heilige Kirchenvater Gregor von Nazianz eindringlich gewarnt. Der große Theologe der alten Kirche war es auch, der die Theosis, die Vergöttlichung des Menschen, als wahres Ziel des Menschenlebens benannte.

Die Theosis, das Ziel des Menschenlebens

Gleich zu Anfang der Heiligen Schrift wird uns das Ziel des menschlichen Daseins genannt, wenn es heisst, das Gott den Menschen schuf nach seinem Bilde und nach seiner Ähnlichkeit (Gen 1,27). Hier können wir schon die große Liebe erkennen, die der Schöpfer für den Menschen empfindet. Er will nicht, dass der Mensch lediglich ein Geschöpf neben unzähligen anderen Geschöpfen ist, er will, dass der Mensch Gott sei. Der heilige Gregor sagt: „Der Mensch ist das einzige Wesen, welches sich abhebt von der ganzen Schöpfung, denn von allen Wesen ist es einzig der Mensch, der Gott werden kann. So kann gesagt werden, dass der Mensch die Gottebenbildlichkeit besitzt und dazu berufen ist, die Gottähnlichkeit, die Vergöttlichung (griech. Theosis) anzustreben. Der Schöpfer ist Gott der Natur nach, und Er ruft den Menschen dazu auf, Gott der Gnade nach zu werden.

Die Vergöttlichung des Menschen beginnt mit seiner Schöpfung und vollendet sich in der Auferstehung nach dem Tod. Der Weg dort hin ist ein Prozess, ein Werden, Theosis genannt.

Wenn nicht der Herr das Haus baut …

Es geht wohl ganz vielen, ja den meisten (um nicht zu sagen, allen) Menschen so, dass sie mindestens einmal in ihrem Leben an einen Punkt kommen, an dem sie sich „bessern“, verändern oder selbst optimieren wollen und während dessen oder nach einer gewissen Zeit bemerken, dass es ihnen nicht wirklich gelingt. Ein spiritueller Mensch wird nicht ruhegeben, bis er gefunden hat wonach sein Herz sich sehnt. So ist er häufig rastlos umher getrieben, von einer Lehre und Erkenntnis zur nächsten Aussicht auf Heilung. „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Dir“ sagt der heilige Augustinus.

Dass aber der Mensch heutzutage nicht in der „altkirchlichen Anthropologie“ nach dem sucht, wonach sein Herz sich sehnt, das liegt weniger am Menschen selbst, als viel mehr an der modernen Kirche, die sich eher als Sozialverband sieht, statt die Aufgabe wahrzunehmen die ihr am dringendsten obliegt und ihre eigentliche Aufgabe ist, nämlich dem Menschen beizustehen, damit dieser erkennt, dass er aus eigener Kraft und Anstrengung nicht zu seiner Vergöttlichung in der Lage ist, sondern dazu der Gnade bedarf, die Christus ihm schenkt. „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst der daran baut!“ (Ps 127,1)

Leere Kirchen dank leerer Worte

Dass der Sinn des Lebens die Vergöttlichung des Menschen ist, darüber herrscht leider nicht nur ausserhalb sondern auch innerhalb der Kirche Unwissenheit und mangelnde Eindeutigkeit. Viele Menschen sind der Auffassung, dass das Ziel des Menschenlebens die moralische Besserung sei, dass der Mensch ein besserer Mensch wird und dass an der Stelle an der er das nicht schafft, er froh sein kann, dass ihm durch Jesu Tod und Auferstehung die ewige Verdammnis erspart bleibt.

In manchen Kirchen genügt es ja schon, wenn man getauft ist. Alles andere sei Gnade, die man entweder hat oder eben nicht hat. Da dürfte es doch nicht wirklich jemanden wundern, dass die Kirchenbänke leer bleiben, die Menschen austreten oder zu Freikirchen wechseln oder sich anderen Sekten, Ideologien und Heilslehren zu wenden.

Wenn ein Geistlicher oder ein Gemeindemitglied dem spirituell suchenden „Heiden“ suggeriert, der Sinn der Kirche bestünde bloß darin, dass der Mensch besser wird als er ist — sittlicher, gerechter, enthaltsamer … Wen erstaunt es dann noch, wenn der Mensch — getreu dem Motto: „hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“ — außerhalb der Kirche und des christlichen Glaubens seine Verwirklichung und sein Heil sucht.

Die Kirche heutzutage ist nicht sehr vertrauenerweckend und scheint nach außen hin auch keine große Kompetenz auszustrahlen, was die Anthropologie betrifft. Das liegt aber nicht in erster Linie daran, dass die Kirche aufgrund von Skandalen und Struktur unglaubwürdig geworden ist, sondern daran, dass die Theosis in der westlichen Kirche und auch in den altkatholischen Kirchen nicht authentisch vorgelebt und somit auch nicht vermittelt wird. Skandale, Unglaubwürdigkeit und Kompetenzgerangel sind lediglich die Folge mangelnder Theosis innerhalb der Kirche(n).

Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben

Wenn wir alle Anthropologie, alle soziologischen, philosophischen und psychologischen Lehren und Systeme tatsächlich mit der Theosis vergleichen, werden wir sehr rasch feststellen, wie arm, unvollständig und unbefriedigend diese ganzen Angebote sind. Ausschließlich Jesus Christus ist in der Lage auf die tiefe Sehnsucht des Menschen zu antworten (vgl. Joh 14,6).

Da der Mensch „zum Gott berufen“ ist, er erschaffen wurde, um der Gnade nach vergöttlicht zu werden, empfindet er, solange er nicht auf dem Weg dahin ist, eine Leere, die ihn in Einsamkeit zurück lässt. Der moderne Mensch ist unfroh. Er lenkt sich ab, betäubt sich, schafft sich seine eigene phantastische Realität in einer armseligen, begrenzten, kleinen Welt, in die er sich zurück zieht und möglichst darin einschließt. Schließlich ist der Mensch ein Gefangener seiner selbst. Der Mensch ist ein Verdrängungskünstler, der mit Hilfe von betäubenden Leidenschaften, Ablenkungsmanövern, Süchten und Spannungen versucht zu vergessen, zu verbessern und zu lösen.

Eine Kirche, die den Menschen auf diesen Irrwegen bestärkt, hat selbst verdrängt, dass der Lebenssinn ausschließlich in der Vergöttlichung des Menschen liegt. Das ist das Höchste und wahrhaft Schöne, dass der Mensch eine solch innige Gemeinschaft erreichen, ja: gewissermaßen eins werden kann mit Gott!

Wenn du vollkommen sein willst …

Im Evangelium lesen wir: „Wenn du vollkommen sein willst … dann komm und folge mir nach!“ (Mt 19,21) Nachfolgen! Wie geht das? Was bedeutet das für mich? Es bedeutet, dass der Mensch begreifen muss, dass er geschaffen wurde um „in Adam“ zu sterben, damit er in Christus auferstehen kann. Sich seine Vergöttlichung vorzunehmen bedeutet, den ersten Schritt zu tun, sich seiner irdischen Vergänglichkeit bewusst zu werden. So wie es am Aschermittwoch heißt: „…und zum Staub kehrst du zurück“.

DER EINZIGE GRUND FÜR DIE MENSCHWERDUNG GOTTES IST DIE GOTTWERDUNG DES MENSCHEN. Das Aschenkreuz ist vor diesem Hintergrund ein zärtliches Zeichen der grenzenlosen Liebe Gottes! Somit müsste der Zuspruch bei der Spendung des Aschenkreuzes nicht lauten: „Fritz, …zu Staub kehrst Du zurück!“ sondern: „Fritz, es gibt keinen Menschen auf der Welt, den Christus mehr liebt als dich, darum komm und folge Ihm nach!“

Erdbeben in der Türkei und Syrien: Gebets- und Spendenaufruf

Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu Dir:
Allherr, höre auf meine Stimme,
lass Deine Ohren merken auf mein lautes Flehen!

Ps 130,1f

Immer deutlicher tritt inzwischen das entsetzliche Ausmaß der Not zu Tage, die durch das Erdbeben in der Türkei und Syrien auch einige der ältesten Gemeinden des Christentums überhaupt getroffen hat. Zahlreiche Kirchen im Herzland des Griechisch-orthodoxen Patriarchats von Antiochia, wo einst die Jünger Christi zum ersten Mal ,Christen‘ genannt wurden (Apg 11,25), sind zerstört worden. Viele Gläubige wurden mitten aus dem Leben gerissen oder ihres Obdachs beraubt. Wir bitten um Gebet für die Notleidenden, die Verstorbenen und die Hinterbliebenen.

Allmächtiger und allbarmherziger Gott! In dieser Zeit schwerer Not fliehen wir zu Dir, unserm Beistand. Wir bitten Dich: Errette unsere Schwestern und Brüder aus der Gefahr; gib allen, die sich der Notleidenden annehmen, Kraft und Geschick; schenke Erfolg beim Einsatz jeglicher Heilmittel und Hilfsgüter. Und lass uns erkennen, wie hinfällig und ungewiss unser Leben ist, damit wir unser Herz ausrichten auf die himmlische Weisheit, die zum ewigen Leben führt. Durch Jesus Christus, unsern Herrn.

O Gott! Nimm Deine Diener auf in die Wohnung des Heiles, wie sie im Vertrauen auf Deine Barmherzigkeit gehofft haben. Amen.

HERR, hilf Deinem Volk und segne Dein Erbe,
weide sie und trage sie ewiglich!

Ps 28,9

Es besteht auch die Möglichkeit, an die deutsche Diözese des Patriarchats von Antiochia zu spenden, welche die Mittel direkt in der Erdbebenregion zum Einsatz bringt. Spenden sind steuerlich absetzbar. Gott segne Geber und Gaben.

Empfänger: Diözesanrat der Antiochenisch-Orthodoxen Metropolie
IBAN: DE48 3706 0193 0021 2210 15
BIC: GENODED1PAX
Verwendungszweck: Spende Türkei und Syrien
(Kontakt: sekretariat@rum-orthodox.de, Telefon: 0152 – 288 298 54)

Scranton in Mainz 2023

Nach der Feier der heiligen Eucharistie in der Kapelle des Tagungshauses (Erbacher Hof)

Vom 10.-12. Februar 2023 fand in Mainz die internationale pastoraltheologische Tagung der altkatholischen Union von Scranton statt. Das Tagungsthema lautete: „God be in my thinking“. Zu den internationalen Gästen zählten u.a. Erzbischof Dr. Anthony Mikovsky (Scranton, Pennsylvania; Leitender Bischof der Polnisch-katholischen Nationalkirche Nordamerikas und Erzbischof der Union von Scranton), Bischof Ottar Myrseth (Oslo; Diözesanbischof der Nordisch-katholischen Kirche), Erzpriester Robert M. Nemkovich Jr. (Generalsekretär der Union von Scranton) sowie als anglikanische ökumenische Gäste Bischof Dr. Kevin Donlon, Erzdiakon Dr. Jeremy Boccabello und Pfarrer John A. Needham. Ein herzlicher Dank gilt dem Erbacher Hof (Tagungshaus des Bistums Mainz) für die Gastfreundschaft.

Vor dem Altarraum der Gotthardkapelle (Mainzer Dom)
Tagzeitengebet in der Gotthardkapelle

Plenum
Erzpriester Robert M. Nemkovich Jr., Abt Michael OPR, P. Franz Roman OPR
Gruppenbild mit dem Banner des Fördervereins (Martinuswerk e.V.)

Epiphanie: Gott lässt sich finden!

Anbetung Christi durch die drei Weisen: Giotto di Bondone, Scrovegni-Kapelle, ca. 1303

Ein weiteres frohes Fest!

Wir feiern die Erscheinung des Herrn (griechisch: Epiphanie oder Theophanie): Weil Gott als Mensch in die Menschheitsgeschichte eingetreten ist, können letztlich alle Menschen zu Ihm in eine persönliche Beziehung treten. Die biblischen Lesungen zum Fest aus der Frohen Botschaft (Evangelium) zeigen uns, wie wir Gott finden können: (1) indem wir die Wahrheit suchen und ihr unbeirrt folgen — so wie die Weisen aus dem Morgenland, die ein Stern zum Christuskind führte; (2) indem wir bereit sind zur Umkehr (und zur Neubesinnung auf unsere Taufe) — so wie die Jünger des Johannes, die bei der Taufe Jesu die Offenbarung der heiligen Dreifaltigkeit (Vater, Sohn und Geist) sehen durften; (3) indem wir Gott bitten, unser Leben und das unserer Mitmenschen zum Guten zu verwandeln — so wie bei der Hochzeit zu Kana (welche bereits das Geheimnis der Eucharistie ankündigt). In diesem Sinne: ein frohes, gesegnetes Fest der Epiphanie!

Frohe Botschaft zu Epiphanie

Gott lässt sich finden: Der Stern von Bethlehem

Evangelium zur heiligen Eucharistie an Epiphanie

Als nun Jesus zu Bethlehem in Judäa in den Tagen des Königs Herodes geboren war, da kamen Weise aus dem Osten nach Jerusalem 2und fragten: »Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben nämlich seinen Stern im Osten gesehen und sind hergekommen, um ihm unsere Huldigung darzubringen.« 3Als der König Herodes das vernahm, erschrak er sehr und ganz Jerusalem mit ihm; 4und er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volks zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo Christus (= der Messias) geboren werden sollte. 5Sie antworteten ihm: »Zu Bethlehem in Judäa; denn so steht bei dem Propheten geschrieben: 6›Du, Bethlehem im Lande Judas, du bist durchaus nicht die unbedeutendste unter den Fürstenstädten Judas; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der mein Volk Israel als Hirte leiten wird.‹« 7Daraufhin berief Herodes die Weisen heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau die Zeit angeben, wann der Stern erschienen wäre; 8dann wies er sie nach Bethlehem und sagte: »Zieht hin und stellt genaue Nachforschungen nach dem Kindlein an; und wenn ihr es gefunden habt, so teilt es mir mit, damit auch ich hingehe und ihm meine Huldigung darbringe.« 9Als sie das vom Könige gehört hatten, machten sie sich auf den Weg; und siehe da, der Stern, den sie im Osten gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er endlich über dem Ort stehen blieb, wo das Kindlein sich befand. 10Als sie den Stern erblickten, wurden sie hoch erfreut. 11Sie traten in das Haus ein und sahen das Kindlein bei seiner Mutter Maria, warfen sich vor ihm nieder und huldigten ihm; alsdann taten sie ihre Schatzbeutel auf und brachten ihm Geschenke dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe. 12Weil sie hierauf im Traum die göttliche Weisung erhielten, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Wege in ihr Heimatland zurück.

Mt 2,1–12

Gott offenbart sich als Dreifaltiger: Die Taufe Jesu

Aus dem Evangelium zum Morgenlob an Epiphanie

Als nun das Volk in gespannter Erwartung war und alle sich in ihren Herzen Gedanken über Johannes machten, ob er nicht vielleicht selbst der Christus (= der Messias) sei, 16antwortete Johannes allen mit den Worten: »Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber der, welcher stärker ist als ich und für den ich nicht gut genug bin, ihm die Riemen seiner Schuhe aufzubinden: der wird euch mit heiligem Geist und mit Feuer taufen. 17Er hat seine Worfschaufel in der Hand, um seine Tenne gründlich zu reinigen, und er wird den Weizen in seine Scheuer sammeln, die Spreu aber mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.« 18Auch noch viele andere Ermahnungen richtete er an das Volk und verkündigte ihm die Heilsbotschaft. […] 21Es begab sich aber, als das gesamte Volk sich taufen ließ und auch Jesus getauft worden war und betete, dass der Himmel sich auftat 22und der heilige Geist in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf ihn herabschwebte und eine Stimme aus dem Himmel erscholl: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden!«

Lk 3,15–18.21–22

Gott lässt sich erbitten: Die Hochzeit zu Kana

Evangelium zum Abendlob an Epiphanie

Am dritten Tage darauf fand zu Kana in Galiläa eine Hochzeit statt, und die Mutter Jesu nahm daran teil; 2aber auch Jesus wurde mit seinen Jüngern zu der Hochzeit eingeladen. 3Als es nun an Wein mangelte, sagte die Mutter Jesu zu ihm: »Sie haben keinen Wein mehr!« 4Jesus antwortete ihr: »Was kümmern dich meine Angelegenheiten, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.« 5Seine Mutter sagte dann zu den Aufwärtern: »Was er euch etwa sagt, das tut.« 6Nun waren dort sechs steinerne Wassergefäße aufgestellt, wie es die Sitte der jüdischen Reinigung erforderte; jedes von ihnen fasste zwei bis drei große Eimer. 7Da sagte Jesus zu den Aufwärtern: »Füllt die Gefäße mit Wasser!« Sie füllten sie darauf bis oben hin. 8Dann sagte er zu ihnen: »Schöpft nun davon und bringt es dem Speisemeister!« Sie brachten es hin. 9Als aber der Speisemeister das zu Wein gewordene Wasser gekostet hatte, ohne zu wissen, woher es gekommen war – die Aufwärter aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es –, ließ der Speisemeister den Bräutigam rufen 10und sagte zu ihm: »Jedermann setzt doch (seinen Gästen) zuerst den guten Wein vor und, wenn sie trunken geworden sind, dann den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten.« 11Hiermit machte Jesus den Anfang seiner Zeichen zu Kana in Galiläa; er offenbarte dadurch seine Herrlichkeit, und seine Jünger lernten an ihn glauben.

Joh 2,1–11

Biblische Texte nach der Übersetzung von Hermann Menge;
Leseordnung gemäß Messbuch sowie Abend- und Morgenlob

„Weiter als die Himmel“

Gottesgebärerin vom Zeichen: Kiewer Schule, Jaroslawl, 13. Jh.

Die Ikone der „Mutter Gottes des Zeichens“

Ein Beitrag zu Advent und Weihnachten

„Siehe, genaht hat sich die Zeit unserer Erlösung. Höhle, halte dich bereit, die Jungfrau naht sich, um zu gebären. Freue dich und frohlocke, Bethlehem, Land Juda, denn aus dir ist hervorgegangen unser Herr. Höret, ihr Berge und Hügel, und du, Judäas Umgebung, denn es kommt Christus, um uns zu retten, den Menschen, den er hat gebildet, als der Menschenliebende.“

(Minäon vom 20. Dezember, Vorfeier der Geburt Christi)

Liebe Schwestern und Brüder!

„Die Jungfrau naht sich, um zu gebären.“ Die Ikone der „Mutter Gottes des Zeichens“ ist eine Ikone, die Jesus vor der Geburt zeigt. Man könnte sie auch als adventliche Ikone bezeichnen. Deshalb einige Gedanken zu dieser Ikone.

Eine Ikone mit vielen Titeln

Wir sehen die Mutter Gottes vor uns in Orantenhaltung. Sie betet. Auf ihrer Brust trägt sie gleich einem Brustschild die Ikone des Gottes Emmanuel. Er segnet uns und hält eine Schriftrolle in der Hand. Sie steht für die Hl. Schrift. Sein Bild ist pränatal zu verstehen. Wir sehen Jesus vor der Geburt. Maria trägt ihn unter ihrem Herzen. Wir werden daran erinnert, dass Maria Gott empfangen hat. Er wohnt in ihrem Schoß. Gewöhnlich lautet der Titel dieser Ikone „Mutter Gottes des Zeichens“. Ihre erste Überschrift ist ganz einfach: Dei genitrix orans, die betende Gottesmutter. Bereits in der Priscillakatakome in Rom finden wir die Darstellung einer Frau mit erhobenen Händen. Es wird wohl die Verstorbene sein, die hier beigesetzt wurde. Die Heiligen und Martyrer erheben ihre Hände zu Gott. Im vierten und fünften Jahrhundert wird dieser Typus auf die Mutter Gottes übertragen. Sie betet und bittet für uns.

Aus dem Leben und Zeremoniell des Kaiserhofes in Konstantinopel wurde Brauchtum für die Feier der Göttlichen Liturgie entnommen und übertragen. Auch der Brauch, das Signum um den Hals zu tragen, stammt vom Kaiserhof. Die Kaiserin und die Hofbeamten trugen gerne ein Bildnis des jeweiligen Kaisers um den Hals, vielleicht einer Münze ähnlich, die ja oft mit dem Bild des Herrschers geprägt wurde. Sie zeigten so ihre Verbundenheit und Loyalität dem Kaiser gegenüber. Die Mutter Gottes wird geschmückt mit dem Bild ihres Sohnes, des himmlischen Herrschers. In Byzanz heißt die Ikone „Platytera“ — ein Komparativ, zu deutsch: „weiter“. Das Wort ist der Basiliusliturgie entnommen.

Basiliusliturgie und Magnifikat

„An dir, du Begnadete, freut sich alle Schöpfung, der Engel Schar und der Menschengeschlecht, du geheiligter Tempel, du geistiges Paradies und jungfräulicher Ruhm, aus welcher Gott ward Fleisch, ja, der unser Gott ist vor Ewigkeit, ein Kindlein. Denn zum Thron machte er deinen Schoß und deinen Mutterleib weiter als die Himmel. An dir du Begnadete, freut sich alle Schöpfung, Ehre sei dir.“

(aus dem Eucharistiegebet der Basiliusliturgie)

Er, den die Himmel nicht zu fassen mögen, birgt sich im Schoß seiner Mutter. Bisher umgaben die Engel den Thron Gottes. Niemand war Gott näher als die Engel. Auch auf unserer Ikone finden sich rechts und links oft Engeldarstellungen der Cherubim. Jetzt ist ein Mensch Gott näher als die Engel es je waren. Der Mensch Maria umschließt ihn körperlich. Deshalb singen wir:

„Geehrter als die Cherubim und unvergleichlich herrlicher als die Seraphim, unversehrt hast du Gott den Logos geboren, dich wahrhaft Gottesgebärerin, preisen wir hoch.“

„Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist frohlockt über Gott meinen Heiland. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut, siehe von nun an preisen mich selig alle Geschlechter (…). Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig.“

Am Ende des byzantinischen Morgengebetes wird stets das Magnificat mit dem oben genannten Kehrvers gesungen. Maria trägt das Zeichen des Menschensohnes auf ihrer Brust. Ihr Heiligenbild wird zur Ikone der „Mutter Gottes des Zeichens“. Es erfüllt sich was der Prophet Jesaja verheißen hat:

„Hört, ihr vom Hause Davids! Ist es euch nicht genug, Menschen zu ermüden, dass ihr auch meinen Gott ermüdet! Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Seht die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und seinen Namen Emmanuel nennen. Von Dickmilch und Honig wird er sich nähren, bis er versteht, das Böse zu verwerfen und das Gute zu erwählen (…)“. (Jes 7,13ff)

Die Ikone kommt zu den Slawen

Mutter Gottes des Zeichens“ – znamenije wird die Ikone in den (ost)slawischen Sprachen genannt. Eine Erzählung machte sie populär. Ein frühes Bildnis dieses Typus findet sich im Blachernenpalast in Konstantinopel, die Gottesmutter Blachernitissa. Byzantinische Missionare brachten eine Ikone dieses Sujets nach Nowgorod. Nowgorod wurde 1170 von Susdal angegriffen. Die Ikone wurde, wie es in Konstantinopel Brauch war, auf die Stadtmauer gebracht. Susdal interessierte es nicht und schoss weiter viele Pfeile ab. Die Ikone wurde getroffen. Die Mutter Gottes weinte und die Ikone drehte sich. Sie wendete sich ab. Schließlich wurde Nowgorod nicht vernichtet. Jeder Krieg ist ein Unding und kann nicht mit Religion begründet werden. Gott wendet sich ab. Er verbirgt sich.

Wir lobpreisen Dich, Lebensspender Christus

Die Mutter Gottes und alle, die mit ihr die Hände zum Himmel erheben und auf Gott harren, der uns entgegen kommt und sich unser annimmt, strecken ihre Hände nach göttlichem Leben und seinem Geist aus. Der Gottesname Emmanuel steht für einen Gott, der Leben spendet und nicht Leben nimmt. Dass wir dies nicht vergessen, wiederholt sich der Lobgesang aus Jesaja in der Großen Komplet des byzantinischen Ritus recht oft:

„Das Volk, das im Finstern wandelt: es sieht ein großes Licht, denn Gott ist mit uns.
Die wir im Schatten des Todes wohnen: ein Licht geht auf über uns, denn Gott ist mit uns.
Ein Kind ist uns geboren: ein Sohn ist uns geschenkt, denn Gott ist mit uns.
Die Herrschaft ist gelegt auf seinen Schultern, denn Gott ist mit uns.
Und sein Friede: er kennt keine Grenzen, denn Gott ist mit uns“.

Emmanuel ist unsere Hoffnung und das Heil der Völker. Er ist unser König und unser Gesetzesgeber, so die O-Antiphon vom 23.12. im römischen Ritus. Martin Luther dichtete in seiner deutschen Übertragung der Weihnachtssequenz: „Den aller Welt Kreis nie beschloss, der liegt in Marienschoß.“ Ihn, den aller Weltkreis, der Kosmos und die Himmel nicht zu fassen vermögen, ihn trägt die Mutter Gottes. Sie hält ihn gleichsam bereit für uns. Möge uns zum Weihnachtsfest ein Engel streifen, wie es Maria und Josef erleben durften vor der Geburt Jesu. Möge uns ein Engel daran erinnern, dass wir Gottes Ebenbilder sind. Vielleicht dürfen wir diese Erfahrung machen, wenn wir mit der heiligen Gottesgebärerin unsere Hände zu Gott erheben. Das wünsche ich Ihnen zum Weihnachtsfest und zum neuen Jahr.

Am Fest des heiligen Apostels Thomas 2022

Diakon Joachim Danz, Dipl.-Theol.

Liturgische Desorientierung als Symptom sinnentleerter Soteriologie

Eine adventliche Paränese von Professor Dr. Reinhard Thöle,
rezensiert von Pfarrer Dr. Dr. Daniel Gerte

Zur Bewältigung der gegenwärtigen Kirchenkrise können Transformation und Innovation zu einem möglichen Ausweg führen. Dabei werden theologische Gehalte vermittels methodischer Innovationen transformiert und auf diese Weise den zeitgenössischen Denk- und Sprachwelten angepasst. Der Zweck scheint die Mittel zu heiligen: Intendiert wird eine Christusbegegnung, die frei von historischen Altlasten und systematischen Korsetten dem alltäglichen Leben der Menschen gerecht werden kann. In seinem neuen Buch mahnt Reinhard Thöle eindringlich an, dass ebendies zu einer unmittelbaren Preisgabe und Überwindung der bewährten, erfüllenden Gehalte des christlichen Glaubens führt. Besonders im liturgischen Geschehen zeigt sich die Anverwandlung menschlicher Kategorien in einem dem traditionellen Verständnis nach von Gott gnadenhaft geschenkten, heilbringenden Vollzug. Was kann also eine Alternative sein?

Reinhard Thöle setzt sich für eine „mythopoetische Rebellion“ der Liturgie und somit für die Reintegration eines geläuterten Mythos-Begriffes ein. Dieser Ansatz mag an Karl Jaspers erinnern: Für Jaspers war der Mythos ein Medium der eingegrenzten, menschenmöglichen Entschlüsselung der Transzendenz in der Gestalt von Chiffren. Obwohl die Chiffre-Konzeption zu kritisieren ist, da sie letztlich in Beliebigkeiten mündet, setzte Jaspers das qualitativ Eine voraus und identifizierte Transzendenz mit Gott. Für ihn traf im Mythos die menschliche Existenz auf das ewige Sein, wenngleich die gegebene Distanz darin erhalten blieb. Mit Reinhard Thöle wäre zu überlegen, wie die „Wahrheit des Mythos“ (Kurt Hübner) eine speziell christlich verstandene Wahrheit des Mythos sein kann.

Mit Blick auf gottesdienstliche Entwicklungen ist zu fragen: Wozu ist Liturgie gut, wenn bei der Planung und Durchführung zunehmend und konsequent weltliche Maßstäbe angelegt werden? Das Anliegen des Buches ist zu begrüßen, denn die Lebenswirklichkeit der Menschen ernst zu nehmen bedeutet auch, entgegen manch liturgischen Verzerrungen eine Sphäre für das zu schaffen, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat (vgl. 1 Kor 2,9).

Prof. Dr. Reinhard Thöle:
Nullus Diabolus — nullus Redemptor.
Von Himmel und Hölle kirchlicher Milieus

Fromm Verlag 2022