Am 16. Oktober 1964 feierten die wenigen noch verbliebenen Düsseldorfer Kartäuser die letzte hl. Messe in ihrem ordenseigenen Ritus. Kurz danach zogen sie zu ihren Mitbrüdern in die neue Kartause Marienau im Allgäu. Die alte Kartause Maria Hain wurde komplett abgerissen, da sie dem erweiterten Düsseldorfer Flughafen weichen musste.
Damit ging im Rheinland die mit Unterbrechung seit 1334 dauernde Präsenz der Kartäuser, deren Gründervater Bruno aus Köln stammte, zu Ende. Durch die Strenge ihres Glaubenslebens, durch ihr ständiges Gebet wie auch durch ihre weit verbreiteten Schriften waren die Kartäuser selbst bei protestantischen Reformatoren hoch angesehen.
Am kommenden dritten Adventssonntag (16.12.18) wird unser Neupriester Ralf Blasberg seine Primiz im Kartäuserritus feiern. Damit kehrt die Kartäusermesse nach 54 Jahren wieder nach Düsseldorf zurück – und 684 Jahre nach der Gründung der ersten Kölner Kartause.
Aber was bewegt uns als altkatholische nordisch-katholische Kirche, die Messe ausgerechnet in dem Ritus eines Einsiedlerordens ohne Pfarrseelsorge zu feiern? Dazu ist zunächst eine kurze Ausführung nötig, die diese Form der hl. Messe in ihrem Kern beschreibt.
Zur Kartäusermesse
Als der hl. Bruno von Köln (1027/30-1101), der Gründervater des Kartäuserordens, sich mit seinen Gefährten im Jahr 1084 in der bergigen Einöde der Chartreuse bei Grenoble niederließ, fand er dort die alte Liturgie der Kirche von Lyon vor. Diese bewahrte damals noch überwiegend treu jene Form der stadtrömischen Liturgie, die Karl der Große bei der vereinheitlichenden Reform der Liturgien seines Reiches im 9. Jh. für verbindlich erklärt hatte.
Doch war diese teils mit der noch früheren gallikanischen Liturgie verschmolzen, die davor im Südwesten des Frankenreiches weit verbreitet gewesen war, so dass die römisch-karolingischer Reformliturgie einige ihrer Elemente aufnahm, wie sie noch heute erkennbar sind.
Die ersten Kartäuser hatten nun die Aufgabe, die vorgefundene Liturgie ihren Bedürfnissen als Eremitenorden ohne Pfarrseelsorge anzupassen. Dabei orientierten sie sich an der überaus erfolgreichen Klosterreform Clunys.
Diese drei Einflüsse also – der römische, der gallikanische und der cluniaziensische – sind in der Messe des Kartäuserordens seit seiner Gründung im Wesentlichen bis heute unverändert überliefert.
Vorwärts zur kirchlichen Tradition
Hierin liegen auch die Gründe, weshalb die Nordisch-Katholische Kirche in Deutschland beschlossen hat, die Messe der Kartäuser zur Norm ihrer Mess- bzw. Eucharistiefeier zu erklären.
Denn erstens verstehen wir unter unserer Selbstbezeichnung als Altkatholiken, dass wir uns um eine Besinnung bemühen auf jene alten kostbaren und gemeinsamen Traditionen, die die eine, heilige und apostolische ungeteilte Kirche, d. h. eine noch nicht — wie nach dem sog. Großen Schisma von 1054 — in eine große östliche und eine große westliche gespaltene Teilkirche samt weiteren Spaltungen nach 1517, besitzt.
Zweitens handelt es sich bei der Kartäusermesse nicht um eine liturgiehistorische Wiederbelebung oder gar um eine „Schreibtischarbeit“, sondern um eine – wie oben gesagt – weiterhin im Kartäuserorden lebendige Tradition.
Drittens ist diese Form der hl. Messe im tiefsten Sinn auch ökumenisch. Denn einerseits setzt die Feier auf Deutsch die orthodoxe wie reformatorische Forderung nach der Verstehbarkeit der Liturgie in der Landessprache um. Andererseits schätzten selbst protestantische Reformatoren, die sonst das Ordensleben wegen seiner Missbräuche überwiegend ablehnten, die Kartäuser aufgrund ihrer ehrlichen Frömmigkeit und puritanischen Strenge, besonders auch im Hinblick auf die hl. Messe.
Wegen des treuen Festhaltens an seinen Ursprüngen musste der Kartäuserorden im Gegensatz zu vielen anderen kontemplativen Klöstern und Kongregationen in den bald 1000 Jahren seit seiner Gründung kaum reformiert werden. Mit einem gewissen Stolz sagen die Kartäuser daher über ihren Orden:
„Numquam reformata, quia numquam deformata –
Er wurde nie reformiert, weil nie deformiert.“