Kanonischer Status und ökumenische Beziehungen unserer Kirche

Eucharistische Gemeinschaft: Erzbischof Dr. Anthony Mikovsky kommuniziert in einer von Bischofsvikar Prof. F. Irenäus Herzberg geleiteten Eucharistiefeier (2019)

Aus Anlass aktueller Anfragen geben wir hier eine kurze Erläuterung unseres kanonischen Status und unserer ökumenischen Beziehungen. Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir ein gesegnetes Fest Mariä Verkündigung.

Einbindung in die Union von Scranton

Die Nordisch-Katholische Kirche bildet zusammen mit der Polnisch-Katholischen Nationalkirche Amerikas (PNCC) die altkatholische Union von Scranton — eine altkatholische Kirchengemeinschaft, die grundsätzlich auch für andere Kirchen offen ist. Die Union von Scranton definiert sich als „Union von Kirchen in Sakramentengemeinschaft mit der Polnisch-Katholischen Nationalkirche“ (Statuten der Union von Scranton, Überschrift).

Grundlage dieser vollen, sakramentalen und kanonischen Kirchengemeinschaft ist die Übereinstimmung in der katholischen Lehre und Liturgie (Statuten, C, Art. 1a,b), die wechselseitige Anerkennung der Ämter in apostolischer Sukzession (Statuten, C, Art. 1b,d) und die eucharistische Gemeinschaft (Statuten, C, Art. 1c). In ihrer inneren Ordnung ähnelt die Union von Scranton jenen orthodoxen Patriarchaten, die autonome Teilkirchen besitzen; das Wirken der autonomen Teilkirchen wird durch die Statuten der Union von Scranton reguliert.

Kanonische Wirklichkeit der Union von Scranton

Das höchste Organ der Union ist die Bischofssynode, die als Internationale Katholische Bischofskonferenz (ICBC) der Union of Scranton bekannt ist. Das Amt des Erzbischofs der Union von Scranton und des Vorsitzenden ihrer Bischofskonferenz nimmt verfassungsgemäß der Leitende Bischof der Mutterkirche der Union, also der Prime Bishop der PNCC, ein (Statuten, D, Art. 1c) — derzeit ist dies Erzbischof Dr. Anthony Mikovsky. Die übrigen Mitglieder der Bischofskonferenz sind die Diözesanbischöfe der Mitgliedskirchen der Union of Scranton (Statuten, C, Art. 1f).

Jede Mitgliedskirche der Union von Scranton (derzeit sind dies die Polish National Catholic Church und die Nordisch-Katholische Kirche) genießt einen gewissen Grad an Autonomie. Zum Beispiel ist es der Nordisch-Katholischen Kirche gestattet, — sofern sie nicht von der offiziellen Theologie der Union (vor allem die Erklärung von Scranton und das orthodox-altkatholische Konsensdokument Koinonia auf altkirchlicher Basis = IKZ 79/Sonderheft, 1989) abweicht — ein eigenes Kirchenrecht, eine eigene Liturgie und eigene Katechismen zu haben. Gleichwohl ist sie verpflichtet, ihr Kirchenrecht samt allen liturgischen und katechetischen Büchern sowie auch alle anderen offiziellen Dokumenten mit den Bischöfen der PNCC zu teilen (wie auch umgekehrt, Statuten, C, Art. 11).

Zwischen den Mitgliedern der Bischofskonferenz der Union von Scranton besteht ein hohes Maß an wechselseitiger Abhängigkeit: So kann beispielsweise kein Bischof der Union ohne Zustimmung der Bischofskonferenz an einer Bischofsweihe teilnehmen (Statuten, C, Art. 8d, 10b); darüber hinaus kann einem Bischof durch einen Mehrheitsbeschluss die Mitgliedschaft in der Bischofskonferenz (und damit der Union of Scranton) entzogen werden, wenn er gegen den synodalen Konsens handelt oder lehrt (Statuten, C, Art. 3h). Gegenwärtig bilden die Bischöfe der PNCC die überwältigende Mehrheit der Bischofskonferenz der Union von Scranton, da nur der nordisch-katholische Bischof Dr. Roald Nikolai Flemestad nicht der PNCC angehört. Bischof Roald Flemestad wurde 2011 von der PNCC für den Dienst in der Nordisch-Katholischen Kirche und als Missionsbischof für Europa konsekriert.

Dementsprechend wird die Katholizität und Orthodoxie der Nordisch-Katholischen Kirche durch jene der PNCC garantiert. Die deutsche Administratur der Nordisch-Katholischen Kirche, die der bischöflichen Leitung von Bischof Roald Flemestad untersteht, gehört zur kanonischen Jurisdiktion der Union von Scranton. Sie ist der kanonische Vertreter der Union von Scranton und damit ihrer Mutterkirche, der PNCC, hierzulande.

Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche

In einer Gemeinsamen Erklärung zur Einheit (Joint Declaration on Unity) haben im Jahr 2006 die römisch-katholische Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten und die Polnisch-Katholische Nationalkirche (PNCC) die gegenseitige Anerkennung der Gültigkeit aller Sakramente sowie die communicatio in sacris (gemäß can. 844 §§ 2-3 CIC/1983) festgestellt. Daraus folgt aus zwingenden ekklesiologischen Gründen auch die Anerkennung der sakramentalen Validität der — 2006 noch als Tochterkirche unselbständigen — Nordisch-Katholischen Kirche.

Diese Entscheidung wurde 2015 von Papst Franziskus und der Glaubenskongregation bestätigt. Aus Anlass der Inkardination des früheren nordisch-katholischen Priesters Erik Heyerdahl Holth in das römisch-katholische Bistum Oslo wurde damals beschlossen:

Mitteilung des Bistums Oslo

„Am 5. September 2015 entschied Papst Franziskus auf Empfehlung der Glaubenskongregation, dass die Priesterweihe von Erik Andreas Heyerdahl Holth in der Polish National Catholic Church gültig ist.“

Quelle: katolsk.no – Abruf 7. Dezember 2018

Beziehungen zu den chalcedonensisch-orthodoxen Kirchen

Die Polnisch-Katholische Nationalkirche (PNCC) war am Dialog der altkatholischen Kirchen mit den chalcedonensisch-orthodoxen Kirchen aktiv beteiligt. Darin wurde eine weitestgehende theologische Übereinstimmung festgestellt, dokumentiert in Koinonia auf altkirchlicher Basis (hg. U. von Arx, in: Internationale Kirchliche Zeitschrift 79/4, 1989).

Die PNCC war in dem orthodox-altkatholischen Dialog u.a. durch den späteren Bischof Thaddeus Peplowski vertreten, welcher von 1999 bis 2011 die Nordisch-Katholische Kirche als skandinavische Administratur der PNCC leitete. Die Bischöfe der Union von Scranton haben 2016 noch einmal geschlossen das Ziel der vollen sakramentalen und kanonischen Einheit mit den chalcedonensisch-orthodoxen Kirchen bekräftigt. Aus ekklesiologischen Gründen muss ja aus der gemeinsam erkannten theologischen Gemeinschaft auch die kanonische Einheit folgen:

Feststellung der Gemischten Orthodox-Altkatholischen Theologischen Kommission (Kavala, Oktober 1987)

„Folge und Ausdruck der gemeinsam erkannten Glaubensgemeinschaft ist die volle, liturgisch-kanonische Gemeinschaft der Kirchen,
die Verwirklichung der organischen Einheit in dem einen Leib Christi.“

Internationale Kirchliche Zeitschrift 79/4, 1989: 103

Multilaterales ökumenisches Engagement

Die PNCC ist seit 1948 Mitgliedskirche (Gründungsmitglied) des Weltkirchenrats. Sie gehört ferner zum Nationalen Kirchenrat der Vereinigten Staaten und zum Zusammenschluss Christian Churches Together. Die Nordisch-Katholische Kirche gehört seit 2015 als Vollmitglied zum Norwegischen Christenrat — dem dortigen Äquivalent der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen.

Weniger ist mehr. Ist die Fastenzeit heute noch ein Thema? Gedanken von Gabriele Gerte

Fasten bedeutet ein Mehr und zugleich ein Weniger. Ein Weniger an Nahrung. Einfache Nahrung statt aufwendig zuzubereitender Lebensmittel steht auf dem Speiseplan, zum Beispiel einfache Eintöpfe statt üppiger Bratengerichte. Manche Menschen verzichten beim Fasten auf Süßes oder Alkohol. Sie betrachten dies als Opfer. Aber ist der Verzicht bestimmter Lebensmittelmittel bei der heutigen Vielfalt schon Fasten? Ich denke eher nicht.

Denken wir einmal daran, wenn wir aufgrund einer Operation einige Tage gar nichts essen dürfen und endlich nach vier Tagen ein Weißbrot mit Käse bekommen. Wie fühlen wir uns dann? Das belegte Brot kommt uns nun wie eine Köstlichkeit vor.

Wir bemerken, wie gedankenlos und selbstverständlich wir mit den wertvollen Nahrungsmitteln umgehen. Wenn man dann für Aschermittwoch teuren Fisch statt Fleisch kauft, ist das für mich noch kein Verzichten. Verzichten auf was? Verzichten bedeutet, ich gebe etwas auf, ich überwinde meine Gier und mein Verlangen auf etwas Bestimmtes – meinen sprichwörtlichen inneren Schweinehund. Ist damit Fasten gemeint? Ich denke, es geht um noch mehr.

Die Wochen vor Ostern könnten auch dazu genutzt werden, einmal mehr Ruhe einkehren zu lassen, mehr in sich zu gehen, mehr zu lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und unseren Geist zu entrümpeln. Auch hier kann ein Weniger ein Mehr sein. So könnte man zum Beispiel mehr lesen, ein gutes Buch zur Hand nehmen anstatt TV zu sehen.

Ich habe einmal die Fastenzeit zum Anlass genommen, mehr in der Bibel zu lesen. Eine weitere Möglichkeit wäre, an Exerzitien teilzunehmen. Man gibt also etwas Sinnloses zu Gunsten von etwas mehr Sinngebendem auf. Egoismus, Unmenschlichkeit, üble Nachrede, Habgier, Neid usw. sind schlechte Eigenschaften, die Unfrieden und Leid auslösen. Die Aufgabe und der Verzicht darauf bedeuten schon viel. Auch hier bedeutet das Weniger ein Mehr. Aber die Umwandlung der bösen Kräfte in gute, sinnvolle Handlungen wie Menschlichkeit zeigen, Not lindern usw. ist noch um vieles mehr wert.

Was bedeuten jedoch genau Verzicht und Aufgabe? Zunächst einmal wird nachgedacht, abgewogen und die Bequemlichkeit überwunden. Was ist sinnvoll? Was bringt es mir? Habe ich die Zeit dazu? Sinnvoll ist etwas, wenn es mir mehr gibt, mich im geistlichen Sinn bereichert, anderen hilft und ihnen tut, uns reifen lässt, uns weiterbringt, Erkenntnis schenkt und ganz einfach zufrieden macht.

Was bedeuten jedoch genau Verzicht und Aufgabe? Zunächst einmal wird nachgedacht, abgewogen und die Bequemlichkeit überwunden. Was ist sinnvoll? Was bringt mir mehr? Habe ich die Zeit dazu? Sinnvoll ist etwas, wenn es mir mehr gibt, mich im geistlichen Sinn bereichert, anderen hilft und ihnen tut, uns reifen lässt, uns weiterbringt, Erkenntnis schenkt und ganz einfach zufrieden macht. In diesem Sinn ist Verzicht und Wandlung positiv.

Es ist bekannt, dass Gier und jegliches Übermaß schädlich sind. Das merken wir schon nach einem reichlichen Essen und Alkoholgenuss. Auch die Gier nach immer mehr Geld und Konsumgütern – koste es, was es wolle – bekommt uns nicht. Man verliert das Maß. Alles haben zu wollen, verdirbt den Menschen. Wir verlieren uns. Wir geben dem Materiellen mehr Raum als unsere seelischen Bedürfnisse – aber „der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein“.

Das Materielle befriedigt nicht unsere seelisch ganz tief in uns sitzenden Bedürfnisse. Daher sind wir trotz allen Besitzes nicht glücklich. Wer kennt das nicht?
Es musste unbedingt die neue Bluse, der neue Fernseher sein. Und wenn wir das haben? Was ist dann? Fühlen wir uns zufriedener, glücklicher? Aber wie fühlen wir uns, wenn wir etwas gespendet haben, jemanden behilflich sein konnten?

Oder wie fühlen wir uns, statt einen Abend geist- und sinnlos zu vergeuden, nach einem guten Vortrag? Ich für meinen Teil fühle mich dann lebendiger, belebter und bereichert. Geben, was uns gegeben. Schon ein freundlicher Gruß oder ein Lächeln kann die Stimmung des Tages heben. Menschlichkeit zeigen. Einfach alles, was anregt und bereichert, bringt Erkenntnis und Zufriedenheit.

Fazit: Fasten und Verzicht sind positiv, ein Weniger und ein Mehr. Verzicht kann bereichern und uns Erkenntnis bringen. Es ist gut, Verzicht zu üben, weniger anzusammeln, sinnbildlich unseren Kühlschrank, Kleiderschrank und auch unseren Geist zu entrümpeln, Ballast abzuwerfen, wieder Maß zu halten in allen Dingen. Schlechte Eigenschaften sollen in gute Eigenschaften verwandelt werden. Wir sollen geben, was uns gegeben ist. Wenn wir uns bemühen, uns „geistlich“ zu bereichern, bringt es uns letztlich auch wieder Gott näher. Dafür eignet sich die Fastenzeit, und darum ist die Fastenzeit auch heute noch ein Thema.

Warum die Frauenordination kein Problem löst, aber neue schafft. Ein Kommentar

Gemälde Le Sacerdoce de la Vierge Marie (Detail), Schule von Amiens, 1438, Frankreich.
Anmerkung: Die Jungfrau Maria als Priesterin, das Jesuskind als pontifex maximus am „Bassgeigen“-Zipfel der Mutter? Sie trägt eine Stola und teilt die Kommunion aus? Ein Ministrant hält jedenfalls eine Tiara. Eine schöne Allegorie, die nichts beweisen will.

In letzter Zeit und besonders um den neulich begangenen Weltfrauentag herum haben Internetportale, die sich katholisch nennen, durch Artikel verstärkt den Eindruck erweckt, der Ruf nach der Frauenordination (= FO), also der Diakonen- und Priesterweihe von Frauen, sei in der römisch-katholischen Kirche ein vordringliches Problem – wenn nicht sogar das vordringlichste.

Die Argumente von Schrift und Tradition als die beiden Prinzipien, denen katholische und orthodoxe Theologie gemäß ihrem Selbstverständnis verpflichtet ist und die dem postmodernen Wunsch nach der FO eine deutliche und begründete Absage erteilen, werden von ihren Befürworterinnen und Befürwortern regelmäßig teils ignoriert, teils durch ständiges Widersprechen wegzureden versucht.

Dies ist nun nicht der Ort, die Debatte erneut aufzukochen, zumal die FO keine Fragestellung ist, die die Union von Scranton weiterhin beschäftigt. Dennoch wird der Konflikt auch gelegentlich an uns herangetragen, insofern wir aufgrund unserer orthodoxen Katholizität in Haftung für die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche genommen werden.

Die Diskussion über die FO ist hauptsächlich an fünf Aspekten aufgehängt: 1. am exegetischen (die Schrift); 2. am dogmatischen (die Tradition); 3. am feministischen (die Gleichstellung); 4. neuerdings auch am juristischen (die vermeintliche Diskriminierung) und 5. am funktionalen (die Gewährleistung der Sakramentenspendung in Zeiten des Priestermangels). Zwangsläufig überlagern sich einzelne Aspekte.
Während der exegetische Befund zusammen mit dem dogmatischen andernorts kompetent erörtert ist (etwa hier), soll es im Weiteren überwiegend um den funktionalen Aspekt gehen, der analog auch auf die Zölibatsdiskussion angewendet wird: Gäbe es die FO bzw. einen freigestellten Zölibat, dann könnten überall die Sakramente oft genug und ausreichend gespendet werden – so die Behauptung.
Daher sei vorab der Hinweis erlaubt, dass es sich mindestens bei diesem Punkt der Diskussion um eine Sicht von gestern handelt, die in mittlerweile überholten Kirchenträumen vergangener Jahrzehnte hängen geblieben ist. Und wer sich damit noch lange aufhält, verschläft, dass es bald keine Gläubigen mehr gibt, die in ihren Gemeinden aktiv sind und denen Seelsorge dienen könnten.  

Der Blick auf die evangelische Kirche in Deutschland bestätigt dies: Obwohl es dort seit 1958 Pfarrerinnen gibt, mangelt es ihr an beidem — Christenmenschen wie Geistlichen (s. den Artikel vom 3. März 2019 in ideaDer evangelischen Kirche gehen die Pfarrer aus“ — und auch die Pfarrerinnen, darf man korrekterweise ergänzen).

Auch der Alt-Katholischen Kirche in Deutschland (AKD) der Utrechter Union geht es rund zwei Jahrzehnte nach der Weihe von Frauen zu sog. Diakoninnen und Priesterinnen ähnlich.
In seiner Rede am 4. Oktober 2018 über die „großen Herausforderungen“, vor denen die alt-katholische Kirche steht, machte der leitende Bischof während der Synode deutlich, „dass mittlerweile ein Personalmangel bestehe“ und  „diese Situation“ dazu nötige, „sich über das geistliche Amt, über den Beruf [der] Pfarrerin bzw. des Pfarrers Gedanken zu machen“.

Bekanntlich hat auch die römisch-katholische Kirche eine Reihe von Problemen, die immer wieder für „Austrittswellen“ sorgen. Jedes für sich ist geeignet, in Europa und den USA ihre Existenz zu bedrohen, doch sind die Folgen des Priestermangels am ehesten in Zahlen fassbar. 
Die umfassende Aufdeckung von Missbräuchen sexueller aber auch finanzieller Art und der vereinzelten tiefen Verstrickung der Hierarchie in sie kann nur als Dienst an der Wahrheit, die frei macht (vgl. Joh 8,32), begrüßt werden.
Dennoch könnte keines dieser Probleme, zuvorderst der Priestermangel, durch die FO gelöst werden. Im Gegenteil: Es würde die weltweite römische Kirche an den Rand der Kirchenspaltung und voraussichtlich darüber hinaus treiben, da die ständige Diskussion über die FO außerhalb gewisser Gegenden Nordamerikas und Europas überwiegend als Luxus- und Scheinproblem degenerierter Teilkirchen betrachtet wird.
Für die Zukunft der Kirchen bietet die FO jedenfalls keine Lösung. Sie kann auch — der Blick auf die evangelische Kirche wie auf die alt-katholische Kirche der Utrechter Union zeigt es — kein Mittel sein, um nachhaltig den Mangel an katholischen Priestern zu beseitigen.

Denn wie die Zukunft in Deutschland und Europa wahrscheinlich aussieht, mit der sich Theologen beiderlei Geschlechts besser beschäftigen sollten, statt sich in rückwärtsgewandte Diskussionen zu verstricken, die zudem auf einem unhaltbaren Besitzstandsdenken beruhen, zeigt ein Blick in folgende Prognosen für die Entwicklung der römisch-katholischen Kirche bis ins Jahr 2040/50:
– Anteil der Katholiken an der Bevölkerung: Von 44% (um 1970) bis 22% (2040)
– Entwicklung der Gottesdienst-„Besucher“: Von 4.400.000 (2000) über 2.500.000 (2016) bis 300.000 [sic!] (2040)
– Anteil der Katholiken im Sonntagsgottesdient im Verhältnis zur Gesamtzahl der Katholiken: Etwa 50% (1950) über noch 10 % (2016) bis – nach konservativer Prognose – ca. 0,6% (2040)
– Zahl der erwerbsfähigen Katholiken: 13,5 Mio. (2016) auf 8,9 Mio. (2031) bis 5,9 Mio. (2041)
– Bestand an Priestern: 12.571 (2000) über 8.786 (2016) bis 3.872 (2050)
– Zahl der Priesteramtskandidaten: Von 470 (für Diözesen und Orden 1990) über 156 (2016, insgesamt) bis zu 0 (für Diözesen 2026) bzw. 0 (2036, insgesamt)
– Zahl der Kirchen und Kapellen: Von 24.500 (bei geringster Nutzung von 123 Gläubigen pro Sa./So. im Jahr 2011) bis zu 882 (2040) 
– Einzig wachsend ist bis 2016 die Entwicklung der Kirchensteuern – unter Berücksichtigung der Inflationsrate und anderer Faktoren – von netto ca. 2,8 Mrd. DM (1967: EKD: 1,6 Mrd. + RKK 1,23 Mrd.) auf 11,5 Mrd. € (2016: EKD 5,4 Mrd. + RKK 6.1 Mrd.) (Statik: FOWID anhand der Statistischen Jahrbücher)

Angesicht dieses auch die letzten Jahrzehnte überblickenden Faktenchecks, der für alle drei kirchensteuerpflichtigen Großkirchen ähnlich verheerend ausfällt, könnte naiv die Frage entstehen, ob es gar einen Zusammenhang zwischen dem Abwärtstrend der genannten Kirchen als gesellschaftliche Institutionen und der Einführung von Pfarrerinnen oder Priesterinnen gibt, zumal beide Phänomene ungefähr zeitgleich entstanden sind. Doch verbieten sich monokausale Erklärungen komplexer Prozesse meist.
Allerdings gibt es auch umgekehrt keinen einzigen Beleg dafür, dass die Negativentwicklung der „Glaubensverdunstung“ durch die FO gestoppt oder bloß gemindert worden wäre.

Als Fazit lassen sich somit folgende Argumente festhalten und ergänzen, die begründen: Die Forderung der FO …
1. … ist von gestern und ein „feministischer Ladenhüter“. Zeitgeschichtlich sind bestimmte Vorstellungen von FO aus dem Kontext der Frauenbewegung zu verstehen, die zu ihrer Zeit ihre Berechtigung hatten. Heute sind ihre wesentlichen Ziele aber soweit erreicht, dass in bestimmten Bereichen sogar eine Gleichstellung der Männer gefordert wird (s. etwa den Artikel „Wo Männer leiden“, in der SZ vom 9. Januar 2019). Auch im Zusammenhang mit manchen Kirchenträumen vergangener Jahrzehnte gehört die FO zu dem, was sie schon damals waren: romantisierende Träumereien vorbei an der Realität, Spiritualität und Geschichte einer Weltkirche. Ein Menschenrecht auf kirchliche Weihen kennt auch die weltliche Rechtsprechung nicht.
2. … ist gemäß Schrift und Tradition unbegründet. Nach biblischer Theologie sind Mann und Frau bereits „gleichgestellt“, weil sie als Ebenbilder G’ttes gleich-wertig geschaffen sind (vgl. Gen 1,27). In dem durch Christus gestifteten Neuen Bund sind zudem die kultischen Reinheitsgebote des Alten Bundes abgeschafft, und Männer wie Frauen haben jederzeit gleichen Zutritt zum Haus Gottes (Gal 3,28). Ferner ist bekannt, dass auch Jüngerinnen Jesus folgten (vgl. etwa Lk 8,1-3). Daraus jedoch samt anderem und aus den Spuren von — in der Eucharistiefeier nicht aktiven — frühchristlichen Diakonissen einen unbegrenzten Zugang aller Getauften zu allen Ämtern abzuleiten, die übrigens auch nicht jedem Mann offenstehen, entspricht einem naturalistischen Fehlschluss, insofern vom Sein (Ebenbild-G’ttes-Sein bzw. Getauftsein) auf das Sollen (alle Ämter für alle öffnen) geschlossen wird. Dementsprechend stellte auch die Internationale Altkatholische Bischofskonferenz 1976 fest, dass sie  „… in Übereinstimmung mit der alten, ungeteilten Kirche, einer sakramentalen Ordination von Frauen zum katholisch-apostolischen Amt eines Diakons, Presbyters und Bischofs nicht zustimmen“ kann. Ferner stellten die altkatholischen Kirchen der Union von Utrecht zusammen mit den orthodoxen Bischöfen in der Koinonia auf altkirchlicher Basis noch 1987 – ein Jahr vor der ersten Diakoninnenweihe und neun Jahre vor der ersten Priesterinnenweihe in der AKD –  fest (S. 94, 4. Abschn.): „Die ungeteilte Kirche hat, abgesehen von der nicht geklärten Einrichtung der Diakoninnen, die Ordination von Frauen nicht zugelassen“.
3. … löst keines der aktuell drängenden Probleme einer Kirche, auch nicht den Priestermangel. Vor allem ist sie keine Antwort auf die Entchristlichung Europas. Wie die römisch-katholische Kirche leiden überraschenderweise auch die protestantische und die alt-katholische Kirche — trotz Pfarrerrinnen und abgeschafftem Zölibat — unter einem Mangel an Geistlichen.
4. … bindet und verschleißt stattdessen benötigte Kräfte, die besser zum missionarisch offensiven und überzeugenden Werben für den christlichen Glauben eingesetzt werden sollten — egal, ob dies als Mann oder Frau geschieht. Denn ohne Gläubige hat keine Kirche eine Zukunft.
5. … spaltet garantiert jede Kirche: Dort, wo im Protestantismus, Anglikanismus und Altkatholizismus die FO durchgeboxt wurde, entstanden immer in Folge gravierende Kirchenspaltungen. Jesus will aber, dass wir eins sind (vgl. Joh 17,21f.). Eine Kirchenspaltung ist ein zu hoher Preis zur Erfüllung unberechtigter Forderungen.
6. … ist zutiefst klerikal. Paradoxerweise fordern oft die Stimmen am lautesten die FO, die gleichzeitig den Klerikern „Klerikalismus“ vorwerfen, ferner im Sinne basisdemokratischer Gemeindestrukturen die kirchlichen Leitungsämter abschaffen wollen und aufgrund des „gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen“ (manchmal verwechselt mit Luthers „allgemeinem Priestertum“) eine verstärkte Beteiligung aller Laien an Gremien wie Entscheidungsprozessen verlangen. Das sind jedoch Forderungen, die einander ausschließen. Dass zu Diakoninnen und Priesterinnen geweihte Frauen dann nämlich ebenfalls zum Klerus gehören und ihn somit samt den klerikalen Strukturen verstärken, wird entweder bewusst übersehen oder opportunistisch gerne in Kauf genommen.
7. … ist zutiefst anti-ökumenisch, insofern alle orthodoxen Kirchen (chalzedonische wie nicht-chalzedonische), die strikt und aus guten Gründen am überlieferten Priestertum festhalten, entweder als Gesprächspartner auf Augenhöhe ignoriert werden oder in eine Schublade mit dem Etikett „fundamentalistisch-veraltet-minderbemittelt“ gesteckt werden, was ebenfalls kein angemessener Umgang mit Millionen von Christinnen und Christen anderer Konfessionen ist.

Eine einfache Frau hat vermocht, was kein Mann auf natürlichem Weg zustande bringen könnte: Sie hat IHM das Leben gegeben, der uns das ewige Leben gibt.
Jeder Mann könnte diese Frau zurecht um jenes Wunder beneiden.
Ist sie damit nicht bedeutender oder wichtiger als alle Päpste, Priester und Propheten zusammen?
Sollten wir uns nicht alle, Männer wie Frauen, auch im Hinblick auf sinnlose Debatten diese Frau zum Vorbild nehmen und Christus in uns tragen und dem Glauben ins Leben verhelfen, statt die Kirche zu spalten und die Problemlösungen auf morgen zu verschieben?

(RB)

Ökumenischer Glaubenskreis in Düsseldorf am 16.03.19

Als das Gründungstreffen am 16. Februar endete, schloss sich bald hinter den sieben Interessierten die große Seitentür der Johanneskirche. Denn die Zeit war im Nu vergangen, und das Café im Foyer stellte für heute seinen Betrieb ein.

Nach drei Stunden voll anregenden Gesprächen über tiefe und wesentliche Fragen des Glaubens, waren sich alle einig, dass dies nach einer Fortsetzung verlange.

Daher wird der Gesprächsfaden entlang des ursprünglichen Glaubens der frühen Christen wieder aufgenommen am 16. März um 15 Uhr in der Johanneskirche (Martin-Luther-Platz, Nähe der Düsseldorfer Kö).

Am Aschermittwoch ist alles vorbei? Bruder Joes Kolumne

Es hätte so schön weiter gehen können – ein Leben im Paradies.

„Du darfst essen von allen Bäumen im Garten.“ Zu Anfang lebte der Mensch von der Großzügigkeit Gottes, und es war kein Problem, dass Gott gesagt hatte: „Von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen.“ Es gab reichlich Anderes. Es war buchstäblich paradiesisch im Garten Eden. Der Mensch war nackt, und er konnte ganz unbefangen Gemeinschaft mit Gott haben. Alles war gut.

Es bedurfte zum Zusammenleben keiner 613 in der Tora enthaltenen Mitzwot (Gesetze), keiner Zehn Gebote und auch nicht des Gebotes Jesu, das „neue Gebot“, das er uns gab: „Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh 13,34-35), brauchte es nicht, denn die Liebe war allgegenwärtig. Alles war gut!

Es gab für die Menschen im Garten Eden nur ein einziges Gebot, welches gleichzeitig auch ein Verbot darstellte: „Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen …!“ (Gen 2,16-18).

Wir wissen, wie es danach weiter ging … Der Mensch musste das Paradies verlassen. Vorbei war es nun mit dem schönen Leben und der unbeschwerten Zeit, in der der Mensch ganz selbstverständlich und unbefangen Umgang mit Gott hatte. Außerhalb vom Garten Eden ist der Mensch der Vergänglichkeit ausgeliefert und wird täglich mit ihr konfrontiert.

Ich schaue mir erneut die Geschichte in der Genesis an: … Nachdem der Mensch von der Frucht isst, erkennt er, dass er nackt ist vor Gott, er erkennt, dass er bloßes Geschöpf ist und entwickelt Scham. Er versteckt sich vor Gott, und er erkennt den Unterschied zwischen dem, was dem Wesen Gottes entspricht, und dem, was dem Wesen Gottes entgegensteht!

In der Bibel heißt es: „Sie erkannten Gut und Böse!“ Vorbei war es mit dem unbeschwerten und sorglosen Leben. Was dem Menschen geblieben war, das war die Erinnerung an vergangene unbeschwerte Zeiten, und wie sehr wünscht sich der Mensch ins Paradies zurück, während er mühevoll den Alltag bewältigt, er sich kümmert und sorgt und versucht seinen Lebensunterhalt zu bestreiten … und das bis heute.

Der Karneval war eine willkommene Abwechslung zum Ende des Winters. Für ein paar Tage, ein paar Stunden den Sorgen des Alltags entfliehen, feiern, lachen, tanzen und unbeschwert sein, das hat manch einer während den letzten Tagen genossen. Am Aschermittwoch ist es aber vorbei. Runter mit den Masken, raus aus der Verkleidung, ungeschminkt zurück in den Alltag. …wir könnten doch so ein unbeschwertes Leben haben, wenn die ersten Menschen nur nicht diese Frucht gegessen hätten…

Ich hatte erst vor kurzem morgens nach den Laudes die entsprechende Passage in der Genesis gelesen und noch abends vor dem Einschlafen ging sie mir dauernd im Kopf herum. Ich fragte mich, warum es ausgerechnet ein Speiseverbot gewesen ist, warum etwas Essbares, was der Mensch nicht zu sich nehmen durfte? Immer wieder stellte ich mir die Frage, warum es beispielsweise kein Stein gewesen ist, den man nicht berühren oder betreten durfte, etwa einen „Stein“ der Erkenntnis?

Am nächsten Morgen kurz nach dem Aufwachen hatte sich das Thema verlagert und zwar vom Kopf in den Bauch, und genau dort vermutete ich auch meine Antwort. Die Erkenntnis von Gut und Böse, das hat etwas mit meinem Bauch zu tun. Im Bauch entwickelt sich das Gefühl. Es ist ein Bauchgefühl. Es entsteht eine Wechselwirkung zwischen Kopf und Bauch und beide bedingen einander.

Ganz klar, Gedanken, Gefühle und Emotionen spielen sich im Kopf ab. Ich kann mich an Situationen erinnern, in denen ich entweder überglücklich war, beispielsweise als ich verliebt war oder zutiefst traurig usw. Aber wie haben sich diese Gefühle bei mir bemerkbar gemacht? Waren die Schmetterlinge im Bauch oder im Kopf? Schlagen mir schlechte Nachrichten auf den Magen oder auf den Kopf? Aus diesen Alltagsbeobachtungen wird deutlich, dass in meinem Bauch Prozesse ablaufen, die mit meinem Gefühlshaushalt zusammenhängen.

Ist denn jetzt der Magen-Darm-Trakt lediglich von Signalen aus dem Kopf abhängig oder beeinflusst er möglicherweise sogar Prozesse in meinem Gehirn? Wir wissen heute, dass ein reger Austausch herrscht zwischen dem Nervensystem des Darms und dem sogenannten Vagus-Nerv.
Dieser ist der zehnte Gehirnnerv und die Verbindung zwischen Darm und Stammhirn, und was noch interessanter ist, dieser Nervus vagus ist für den Herzschlag verantwortlich.

Wie jetzt erst vor kurzem festgestellt wurde, erfolgt der Großteil der Informationsübertragung vom Nervensystem des Darms hin zum Gehirn und nicht umgekehrt, wie man zuvor vermutete. Die Forschung spricht hier inzwischen vom zweiten Gehirn. Im Hinblick auf die Entdeckung dieses sogenannten „zweiten Gehirns“ im Verdauungssystem, finde ich es äußerst interessant, dass es für Adam und Eva ein Speiseverbot gab.

Mir kommt der Gedanke, dass die Erkenntnis von Gut und Böse nicht nur im Gehirn meines Kopfes, sondern auch im Gehirn meines Bauches stattfindet, und ich beginne, mir ganz neue Gedanken über den Sinn und Zweck des Fastens zu machen.
Über viele Jahre hinweg dachte ich, dass das Fasten zunächst mal nur eine Praktik in der geistlichen Lebensführung eines Christen sei, nicht mehr – aber auch nicht weniger. Eigentlich betrachtete ich das Fasten lediglich als eine Art „Hilfsmotor“ für den Christen, ohne mir nähere Gedanken darüber zu machen (abgesehen von der Solidarität, die ich beim Fasten empfinde mit armen Menschen, die geistlich oder materiell nicht so reich begütert sind, wie ich es bin, und vielleicht auch ein wenig, um abzuspecken oder einfach mal weniger zu rauchen). Nun aber mache ich mir plötzlich Gedanken darüber, was das Fasten tatsächlich bewirkt und wie die Enthaltsamkeit wirk-lich wirkt!

Erneut lese ich die Passage in der Genesis … Dass der Mensch im Garten Eden keinesfalls von der Frucht dieses Baumes essen sollte, das hat Gott nicht gesagt, um klar zu machen, dass er es ist, der sagt wo´s lang geht. Gott wollte damit nicht „die Fronten abklären“. Gott hat nicht willkürlich ein Gebot verhängt! Dadurch dass Gott verboten hatte vom Baum der Erkenntnis zu essen, bewahrte er den Menschen davor, seine reine Herzenshaltung zu verlieren.

Infolge der menschlichen Schwäche und der daraus resultierenden Erkenntnis von Gut und Böse wurde das innige Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen nachhaltig gestört. Aber Gott hat seine Haltung zum Menschen dadurch nicht verändert, doch die Haltung des Menschen gegenüber Gott veränderte sich.

Äußerlich lässt mich das Fasten nach wie vor Solidarität empfinden mit Menschen, die nicht so umfänglich begütert sind wie ich, mit Menschen, die sich nicht jeden Tag satt essen können, die nicht in mitten einer intakten Infrastruktur leben, die sich nicht jeden Abend in ein warmes, frisch gemachtes Bett legen können. Aber innerlich verändert es meine Haltung gegenüber Gott. Das Fasten hilft mir, meine Herzenshaltung zu prüfen. Das Fasten führt mich ernsthaft auf den Weg der Nachfolge Christi. Ich bin gespannt, wie es sein wird. Jesus hat es uns vorgelebt, und ich will es ihm gleich tun, indem ich den Weg in und durch die „Wüste“ wähle.

… Fasten und Wüste, darum geht es dann auch in meinem Beitrag am kommenden ersten Fastensonntag, und ich bin gespannt, was mir bis dahin zum Thema noch so durch den Kopf und den Bauch geht.

Bis dahin, Euer Josef (Steffen Obl.OPR)

Die ersten Christen waren keine Rheinländer. Br. Joes Kolumne

Ich stelle mir gerade vor, was mit der Schlange passiert wäre, wenn Adam und Eva Chinesen gewesen wären …
Musstet Ihr lachen? Ich auch!

Eine andere Vorstellung hingegen wäre für mich als Rheinländer (und als nichtpfälzischer Rheinland-Pfälzer, bin ich ja eher ein Rheinländer) sehr skandalös, nämlich was passieren würde, wenn der regierende Oberbürgermeister einer rheinischen Großstadt dem Karneval und der Fastnacht den Kampf ansagen würde.

Das geschieht derzeit wieder in der brasilianischen „Sambahauptstadt“ Rio, wo der Bürgermeister aus religiösen Gründen den berühmten Karneval verbieten möchte.
Vermutlich wird er mit seiner Mission, den Straßenkarneval aus seiner Stadt zu verbannen ebenso scheiterten, wie er schon als Fischereiminister gescheitert ist. „Vom Karneval versteht der ebenso wenig wie von der Fischerei“, urteilten seine Kritiker.
Im Jahr 2017 verweigerte er dem Karnevalskönig die Übergabe des Stadtschlüssels, was er 2018 zwar nicht wiederholte, aber dafür kurz nach der symbolischen Schlüsselübergabe nach Frankfurt flog, um sich dort über deutsche Drohnentechnik zu informieren.

Das Spannungsfeld zwischen christlicher Moral und Karneval, das kenne ich. In meinem Geburtsort waren zu meiner Kindergartenzeit noch Nonnen ansässig, die als Erzieherinnen im Kindergarten und als Krankenschwestern arbeiteten.
Von Rosenmontag bis Aschermittwoch pflegten sie die ununterbrochene Anbetung vor dem Allerheiligsten … Wie meine Großmutter meinte, „wegen der Sünden, die an Fastnacht gemacht werden!“ Und meine Oma war auch stets in größter Sorge, wenn ich als junger Kerl „loszog“, um Karneval zu feiern oder allwöchentlich freitag- und samstagabends in die Disco fuhr.

Sie war kein Karnevalsgegner, nein, sie war immer sehr gespannt auf die Vorträge, die von Neujahr an eingeübt wurden, wollte immer wissen, wie die Kappensitzung oder der Umzug gelaufen sei und hat auch mein Lampenfieber mit mir geteilt, als ich mal Sitzungspräsident war. … Aber sie hat auch immer mit dem Rosenkranz in der Küche gesessen und gebetet, dass ihr Enkel möglichst nichts „Schlimmes“ anstellt … während der „närrischen“ Tage! Sie wäre nicht mit allem einverstanden gewesen, aber sie war ja auch nicht live dabei, so blieb ihr manche Aufregung erspart.

Ja, ich war damals ein aktiver Karnevalist, aber lediglich in der Zeit zwischen „Dickem Donnerstag“ und Aschermittwoch. Christ hingegen, bin ich das ganze Jahr über und auch an den Karnevalstagen. Ich finde nicht, dass das Eine, das andere grundsätzlich ausschließt.
Wir finden in der Apostelgeschichte keine Hinweise darauf, dass die ersten Christen Karneval gefeiert hätten [Anm. d. Red.: Der Einzug Jesu nach Jerusalem kann jedenfalls auch mit ausgefeiltester Exegese nicht als erster Karnevalszug gedeutet werden!]. Was ja völlig logisch ist, sie waren ja auch keine Rheinländer!

Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass die Apostel immer einmütig mit starrer Mine in ihren Zusammenkünften gesessen sind [Anm. d. Red.: Die durch Israel galoppierende Schweineherde von Gerasa dürfte auch manchen zum Lachen angestiftet haben!].
Wir wissen, dass sie zuweilen heftig streiten konnten; deshalb gehe ich davon aus, dass sie auch miteinander gelacht haben.

Wer traurig sein kann und wer streiten kann, der kann auch lachen – so meine für mich logische Schlussfolgerung. Ein Fest auch im weltlichen Rahmen, in Fröhlichkeit und Gelassenheit zu feiern, gehört für mich durchaus zum Christsein dazu.
Beispielsweise an Weihnachten das gute Essen, die Bescherung, das gemütliche Zusammensein der Familie im Wohnzimmer vor dem geschmückten Baum oder das festliche Mittagessen und Kaffeetrinken an Ostern, das Grillen an Pfingsten, die Familienzusammenkunft anlässlich einer Taufe, einer Erstkommunion usw.

Als biblisches Beispiel hierfür, erwähne ich für mich selbst gerne das sogenannte „erste Wunder“ Jesu, die Weinvermehrung bei der Hochzeit von Kana.
Wir kennen die Geschichte. Der Wein wird alle, die Gäste drohen in kürze auf dem Trockenen zu sitzen, und Maria bittet ihren Sohn, etwas zu unternehmen.
Dieser zögert, kommt aber dann der Bitte seiner Mutter nach und sorgt für etwa 600 Liter (die Menge haben Bibelforscher errechnet – aus welchen Quellen auch immer, das muss man sich mal bildlich vorstellen – das sind 800 Flaschen à 0,75 Liter) eines vorzüglichen Weines.
Das war also eine Hochzeit mit Hunderten von Leuten und das Fest ging vermutlich über mehrere Tage, vielleicht war da ein ganzes Dorf auf den Beinen.

Ich denke, Jesus hat nichts grundlegend gegen das Feiern von Festen, nichts gegen den Genuss von Alkohol und das feiern von Partys. Es liegt an mir, ob ich so derart „auf den Putz haue“, dass ich mich am nächsten Tag dafür schämen muss. Verantworten muss ich mich für mein Verhalten spätestens vor Gottes Richterstuhl. Es liegt an mir, wie ich mich verhalte.
Ich finde es persönlich sehr geschmacklos und dumm, wenn sich Leute an Karneval als Teufel, Mönch oder Nonne verkleiden und was es noch so alles an geschmacklosen Kostümen gibt oder Menschen sich bis zum Verlust der Muttersprache besaufen oder ein Festzelt aus den Angeln heben …

Aber ich käme nicht auf die Idee, eine Karnevalsveranstaltung zu verhindern, nur weil es dort auch Leute gibt, die mich in meinen religiösen Gefühlen verletzten könnten. Ich bin für mich verantwortlich und auch dafür, wie ich mich bei diesen Veranstaltungen verhalte. Jesus und seine Jünger haben sich jedenfalls nicht immer abgeschottet von weltlichen Partys.

Wir wissen aus den Berichten des neuen Testaments, dass sich Jesus bei öffentlichen Veranstaltungen und Festen auch mit Zöllnern, Dirnen und Andersgläubigen an einen Tisch setzte. Mit Menschen also, die in der jüdischen Öffentlichkeit keinen guten Ruf hatten, ja teilweise sogar als Unreine und Asoziale bezeichnet wurden. Was wiederum dazu führte, dass Jesus und seine Jünger als Fresser und Säufer beschimpft wurden (vgl. Matthäus 11,19).

Ich gehe mal davon aus, dass die Jünger sich bei solchen Anlässen nicht sinnlos betrunken haben, aber ich kann mir gut vorstellen, dass nicht alle Jünger den Wein gleichermaßen vertragen haben. Der eine mehr, der andere weniger. Sie waren sich ihrer Verantwortung in und für die Gesellschaft, in der sie sich befanden, mehr oder weniger bewusst. Sie feierten alle damaligen Festtage und nahmen an vielen gesellschaftlichen Großveranstaltungen teil.
Ich sehe jedenfalls nicht, warum man als Christ grundsätzlich keinen Karneval feiern sollte. 

Wenn ich mir aber jetzt unter dem Aspekt, dass nach Karneval die große Fastenzeit beginnt, das Wunder von Kana betrachte, dann erkenne ich im Bericht des Johannes 2,1-12 drei ganz lebenspraktische Hinweise für mich als Christ. Erstens: Die eschatologische Freudenzeit mit Jesus beginnt. Zweitens: Diese Zeit beginnt mit einer substanziellen Verwandlung – so wie sich Wasser auf Jesu Wort hin zu Wein verwandelt, so verwandelt sich der Mensch unter dem Wort des Evangeliums zu einem Nachfolger Christi; und drittens: Maria fordert uns auf, Jesus zu folgen, in dem sie sagt: „Was er Euch sagt, das tut!“

Am Aschermittwoch, so besingt es ein Mainzer Karnevalslied „ist alles vorbei“… ja, dann ist es vorbei mit dem „alten“ Menschen, dann beginnt die Zeit der Verwandlung, die Vorbereitung auf das Osterfest, … und aus diesem Anlass, erscheint dann auch mein nächster Beitrag.

Bis dahin, Euer Josef (Steffen Obl.OPR)

Dieser Beitrag gibt als Kolumne vor allem eine persönliche Sicht wieder, aber nicht unbedingt in jedem Punkt die Meinung der Kirche.