Wir kennen ja die Passagen im Evangelium, wo Jesus am See Genezareth die Jünger auffordert, ihre Netze erneut auszuwerfen (vgl. Mk 1,16-20; Mt 4,18-22; Lk 5,1-11):
Jesus fordert Petrus auf: „Fahr an eine Stelle, wo es tief ist, und wirf die Netze zum Fang aus.“ Petrus entgegnet: „Rabbi, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen, aber weil du es sagst, werfe ich die Netze aus“ (vgl. Lk 5, 4f.).
Als ich mich heute Morgen nach meiner „Stillen Zeit“ wieder einmal hinsetzte und mich auf eine Zigarette mit Gott traf (so nenne ich immer den Moment nach dem Morgengebet und der Lectio Divina, in dem ich in aller Ruhe einen Kaffee mit Milch trinke, eine Zigarette dabei rauche und meine Gedanken noch etwas kreisen lasse), da dachte ich an ein Interview mit einem Pfarrer aus einer Großstadt, welches ich kürzlich gelesen hatte. Es ging darin um ein Projekt mit dem Namen Aufbruch.
Aufbruch, so die Erklärung des Priesters im Interview, stünde für eine Kirche, die rausgeht in die Gesellschaft, die nach den relevanten Themen für die Menschen fragt und die versucht, aus dem Evangelium Jesu Antworten dafür zu finden … und sich die Frage stellt, was das Evangelium hier und jetzt fordert – und was es dazu speziell in Großstadt braucht!
„Ah-ha“, dachte ich. „Ja, was haben denn die christlichen Gemeindeleiter, Bischöfe, Pfarrer, Ordensleute usw. die letzten 1500 Jahre gemacht?“ Diese Frage hat mich den ganzen Tag über beschäftigt.
Was haben „die“ denn die ganzen Jahre gemacht? Warum fragen die nach den relevanten Themen?
Dieses seien spannende Fragen, meinte der Stadtdekan. Um die Antwort geben zu können, bräuchte es zunächst ein gutes theologisches Fundament. Und dann ginge es natürlich auch darum, die Zeichen der Zeit zu erkennen, ergänzte der Priester weiter.
Ich hatte ein einziges großes Fragezeichen auf der Stirn:
– Eine Kirche, die hinaus geht, um Antworten auf die relevanten Themen der Menschheit geben zu können?
– Um zu prüfen, ob im Evangelium diesbezügliche Antworten zu finden seien?
– Um sich zu fragen, was das Evangelium in dieser Zeit fü die Großstadt fordert?
– Und dafür braucht es ein gutes theologisches Fundament?
Ja, hat denn der Herr Pfarrer vergessen, was in der Schrift steht? Jesus sagte doch: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich!“ (Joh 14,6)
Man kommt doch an diesem Satz überhaupt nicht vorbei!
Man kommt an diesem Satz nicht vorbei, wenn man es wirklich ernst meint, mit der Nachfolge Christi. Diese Aussage Jesu ist doch so komprimiert, damit die Bedeutung der Worte ein absolutes Gewicht hat. … Und gerade deshalb beauftragte er die Jünger, Menschenfischer zu sein!
Dieser Satz trifft den Nagel auf den Kopf, und zwar jeden einzelnen Nagel, mit dem der Herr Jesus gekreuzigt wurde. Diesen Satz zu relativieren, würde bedeuten, nicht nur die Absolutheit des Evangeliums zur Diskussion zu stellen, den Liberalen keine Angriffsfläche zu bieten und Heilslehren anderer Religionen zu legitimieren, sondern den Sinn von der Menschwerdung Gottes, Jesu Tod und Auferstehung in Frage zu stellen.
Wenn ich diesen Satz relativiere, dann trage ich dazu bei, dass sich Christentum und Kirche selbst abschaffen.
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich!“ … das ist doch das relevanteste Thema (aller Zeiten) überhaupt, oder nicht? Was braucht es da noch für ein theologisches Fundament? Mit diesem Satz ist doch alles gesagt, oder?
Eigentlich ja, aber gerade die römische Kirche ist inzwischen ein Tummelplatz für allerlei „Beifang“ und Fischer mit kaputten Netzen geworden. Spontan fallen mir zig Beispiele ein, und die skandalträchtigsten, jüngsten Beispiele möchte ich an dieser Stelle noch nicht einmal erwähnen:
Theologen, die eine pluralistische Religionstheologie vertreten, der zufolge weder das Christentum noch eine andere Religion „einzig wahre“ Heilsmittler sind und jede Religion die gleiche Funktion erfüllen könne, sind meiner Ansicht nach „Fischer mit kaputten Netzen“.
Auch fallen mir die KFD Frauen ein, mit denen ich nächtens in einem Tagungshaus diskutierte. Die Damen wunderten sich über mangelnden Nachwuchs in ihrem Verein, dabei hatten sie doch so tolle Veranstaltungen im Angebot wie: „Kochen ohne Glutamat“, „Kita ohne Grenzen“, „Kirche von unten“ usw. … Alles „Beifang“.
Wie wäre es mit dem Kurs „Wer in den Himmel will, der kommt an Jesus nicht vorbei!“? Mag ja sein, dass man damit spontan keine neuen Mitglieder bekommt, aber es wäre aus meiner Sicht wahrhaftiger und sinnvoller als „Tupperabende“ oder „vegane Kochkurse“ …dafür gibt es ja weltliche Vereinigungen und VHS Kurse.
„Niemand kommt zum Vater außer durch mich! Was dieser Satz bedeutet, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das kann man doch nicht verschweigen, für sich behalten oder relativieren!
Während ich so da sitze, Kaffee trinke und an meiner Zigarette ziehe, da sage ich: „Siehst Du Jesus, die Leute wollen diesen Satz nicht hören. Sie zweifeln Deine Wahrheit an. Sie glauben nicht daran, dass niemand zum Vater kommt, außer durch Dich!“
Und dann ist mir die Stelle im Evangelium eingefallen, wo Jesus den Petrus auffordert, erneut hinaus zu fahren, um die Netze auszuwerfen. Danach fordert Jesus den Petrus auf: „Fahr an eine Stelle, wo es tief ist, und wirf die Netze zum Fang aus.“ Petrus entgegnet: „Rabbi, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen, aber weil du es sagst, werfe ich die Netze (erneut) aus“ (Lk 5,4f.).
Ja, wir wissen wie es dann weiter ging, sie hatten so viele Fische gefangen, dass sie beinahe gekentert wären.
Die Apostel waren einfache Leute. Wir kennen Petrus. Manchmal etwas rau und ungehobelt, dann wieder naiv, dann kleingläubig, dann fest im Glauben, dann etwas vorlaut, dann ängstlich, dann zweifelnd, allzu menschlich.
Wir kennen Andreas, der ewige kleine Bruder, zarter, feinfühliger.
Johannes, fast noch ein Kind, am Kleiderzipfel des Herrn hängend.
Oder den Thomas, der nur glaubt was er sieht.
Oder den Judas, den Fanatiker, dem alles nicht schnell genug geht, der es radikal will, hier und jetzt und schwach wird beim Geld …! Alles nur einfache Menschen, keine Theologen, keine namhaften Politiker, keine bedeutenden Journalisten … einfache Leute wie ich.
Mit den Schriftgelehrten diskutierte Jesus, aber zu den einfachen Leuten sprach er in einer einfachen und verständlichen Weise. Die Kernaussagen des Evangeliums sind unmissverständlich und eindeutig und die Aufträge und Anweisungen die Jesus gibt, die sind klar und deutlich: „Ab heute sollt Ihr Menschen fischen!“
Mich wundert es überhaupt nicht, dass in unserer Gesellschaft viele Leute den Kirchen den Rücken zu wenden. Für was ist denn die Kirche noch gut, wenn sie das Wesentliche verschweigt, die Kernaussage des Evangeliums als Nebensache abtut oder nur beiläufig erwähnt? Wie glaubhaft ist
denn eine Kirche, die sich vornehmlich als Moralinstanz, Impulsgeber, Zeremonienmeister und caritativer Träger sieht?
Ich bekomme den Eindruck, dass es Kirchen gibt, die nichts weiter darstellen, als die vielen anderen, unzähligen „Religionsanbieter“.
Was wundert sich die römische Kirche in der Großstadt über leere Fischernetze, bzw. Kirchenbänke, wenn sie sagen: „Wir haben die ganze Zeit nichts gefangen, jetzt fragen wir mal die Fische selbst, womit wir sie am besten fangen können!“
Die würden doch besser mal hingehen und es so machen, wie die Jünger es damals am See Genezareth gemacht haben, nämlich auf den Herrn Jesus hören, der ihnen sagt, wo genau sie ihre Netze auswerfen sollen! …. Aufbruch!
Es ist ja löblich, dass die Kirche mit ihrem Projekt „Aufbruch“ auf die „Not der Zeit“ reagieren will und sich fragt, wie sie an die Leute kommt, aber es wird ihr und den Menschen und deren transzendenten Erwartungen nicht weiter helfen, wenn sie das Evangelium nicht in seiner ganzen Wahrheit verkünden.
Der Mensch muss nicht an die Kirche glauben, um in den Himmel zu kommen, sondern den Worten des Herrn Jesus vertrauen! – Und das muss verkündet werden, und zwar deutlich! Wenn der Mensch in den Himmel will, dann kommt er an Jesus nicht vorbei! Das stimmt, Jesus sagt selbst von sich: Es gibt keinen anderen Weg, es gibt keine andere Wahrheit, es gibt kein anderes Leben, niemand … Niemand kommt zum Vater, außer durch mich!
Durch die Trägerschaft von sozial-caritativen, diakonischen Einrichtungen, Kindergärten, Schulen, Konfliktberatungsstellen, Armenküchen usw. erhält die Kirche meiner Meinung nach keine Daseinsberechtigung. Inzwischen unterscheiden sich viele dieser Einrichtungen inhaltlich nicht mehr von „weltlichen“ Einrichtungen. Als Christen sind wir zwar aufgefordert, die Bergpredigt in die Tat umzusetzen, die Werke der Barmherzigkeit zu tun und Einrichtungen zu unterhalten, in denen das Evangelium praktisch verwirklicht wird, aber: „Das ist nicht das Wesentliche sondern das Selbstverständnis der christlichen Nächstenliebe.“
Wenn ich das Wesentliche im Evangelium verschweige, dann ist das so, als würde ich das Netz nicht dort auswerfen, wo der Herr mir sagt, sondern dort wo es am gemülichsten ist. Denn klar wird es ungemütlich, wenn ich einem Muslim oder einem Atheisten sage, dass er an Jesus nicht vorbei kommt!
Wenn ich aber die Passage aus dem Evangelium Johannes 14,6 verschweige oder relativiere, dann werfe ich ein löchriges und kaputtes Netz aus! … und wenn ich mit einem löchrigen Netz auf Fischfang gehe, dann muss ich mich nicht wundern, wenn kein Fisch im Netz ist. Gleiches gilt übrigens auch, wenn ich das Netz nicht an der Stelle auswerfe, die mir Jesus nennt.
Was will ich? Will ich ein kaputtes und löchriges Netz auswerfen? Will ich mich mit Beifang zufrieden geben? Will ich mich mit der Angel an eine Pfütze setzen und darauf warten, dass ein Fisch anbeißt, der nebenan im Fluss schwimmt? Will ich ganz groß in eine Fischfangflotte investieren? Nein! Zuerst will ich mein Netz reparieren, dann auf die Stimme Jesu hören und das Netz an der Stelle auswerfen, die Er mir nennt!
Ich bin kein Missionar, ich bin kein Seelsorger, ich bin auch froh, dass ich kein evangelikaler Fanatiker bin, aber ich bin ganz schön froh, dass das Evangelium bis zu mir vorgedrungen ist, da kann ich doch nicht einfach so tun, als wüde es außer mir niemanden betreffen. Das muss ich doch sagen, das ist doch die Frohe Botschaft!
Es ist ja nicht so, als hätte ich das vorher noch nie gehört, aber so wie heute Morgen, das hat gesessen! Mal gespannt wie lange es anhält, mein „AH-HA Erlebnis“ … aber ich habe ja Euch, meine lieben Geschwister im Herrn, Ihr ermahnt mich bitte, wenn der Eifer mit mir durchgeht oder im Gegenzug abflaut und teilt mit mir die Freude darüber, dass wir eine kleine Kirche sind, ein „Fischerbötchen“, das dorthin rudert und die Netze an der Stelle auswirft, die der Herr ihm nennt, mit Netzen die keine Löcher aufweisen und falls doch, die schnell repariert werden.