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Katechetische Notizen zur orthodox-altkatholischen Lehre I/3

Ikone der allerheiligsten Dreifaltigkeit: Andrej Rubljow (1360-1430)
[Das Motiv greift den Besuch der drei Engel bei Abraham zu Mamre auf, vgl. Gen 18]

Wir dokumentieren hier in unregelmäßigen Abständen die Notizen zur Katechesenreihe (von Bischofsvikar Prof. Herzbergüber das orthodox-altkatholische Konsensdokument Koinonia auf altkirchlicher Basis (Hrsg. Urs von Arx; Sonderheft zu IKZ 79/4, 1989). Zuvor erschienen die Teile I/2 Der Kanon der Heiligen Schrift und I/1 Die göttliche Offenbarung und ihre Überlieferung (mit Vorbemerkungen).

I/3 Die Heilige Dreifaltigkeit

Was bekennen wir von dem Wesen Gottes?

  • Wir bekennen
    • einen Gott [Monotheismus],
    • in drei Seinsweisen, auch genannt Hypostasen (griechisch) [bzw. lateinisch Personen;gemeint ist hier aber nicht der alltägliche Personenbegriff, eine persona in diesem Sinne ist nicht notwendigerweise auch ein Individuum!],
    • nämlich der Vater, der Sohn [= „das Wort“, vgl. Joh 1,1] und der Heilige Geist.
  • Der Vater hat den Sohn „geliebt vor Grundlegung der Welt“ (Joh 17,24) und sich offenbart im Heiligen Geist, der die Liebe personifiziert (Mt 3,16f, Gal 4,6); in diese Gemeinschaft der Liebe will Gott uns mit hinein nehmen (Joh 17,26, Gal 4,6).
  • Diese Drei-Einheit ist also ein Geheimnis der Liebe und wird nur in Liebe erkannt; denn Gott ist Liebe (1 Joh 4,8).

(1.) Was verstehen wir unter der heiligen Dreifaltigkeit?

  • Gott ist dem Wesen (griechisch ousia, lateinisch substantia) nach einzig, aber dreifaltig nach den Seinsweisen (Hypostasen) bzw. Personen (wobei „Person“ hier, wie oben bemerkt, im ursprünglichen lateinischen Sinne zu verstehen ist).
  • Vater, Sohn und Heiliger Geist sind ewige und anfangslose Personen (im ursprünglichen lateinischen Sinne, also nicht als Individuen!), die jedoch ungeschieden in dem einen Wesen Gottes miteinander geeint sind.
  • Deshalb „beten wir an die Einheit (monas) in der Dreiheit (Trias) und die Dreiheit in der Einheit, in ihrer paradoxen Unterschiedenheit und Einigkeit (enosis)“ (Gregor von Nazianz, Migne PG 35,1221).

(2.) Worin besteht die Einheit der Hypostasen der heiligen Dreifaltigkeit?

  • Die Einheit besteht:
    • einerseits aufgrund der Einheit und Identität des göttlichen Wesens;
    • andererseits aufgrund der Einheit und Identität der Eigenschaften, der Energien (Wirkweisen) und des Willens.
  • Der Vater ist der eine Ursprung und Grund von Sohn und Heiligem Geist.
  • Die drei göttlichen Hypostasen sind eines Wesens und durchdringen einander ohne Vermischung, ohne Teilung des Wesens und ohne rangmäßige Unterordnung.
  • „Die Wesensgleichheit aber und das Durchdringen der Hypostasen und die Identität des Willens, der Wirksamkeit, der Kraft, der Macht und der Tätigkeit lassen uns sozusagen die Untrennbarkeit und Einheit Gottes erkennen. Denn nur einer ist in Wahrheit Gott, der Gott[-Vater] und das Wort und sein Geist.“ (Johannes von Damaskus, Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens, I, 8; BKV I, 44: 23).

(3.) Worin besteht die Verschiedenheit der Hypostasen?

  • Vorab: Die drei Hypostasen (Personen) haben gleiche Fülle der Gottheit; die Einheit und Unzertrenntheit des göttlichen Wesens bleibt dabei gewahrt, da die Hypostasen (Personen) zwar zu unterscheiden sind, aber doch ungeschieden sind!
  • Die Unterschiede der Hypostasen bestehen in den ewigen Beziehungen untereinander:
    • Der Vater zeugt von Ewigkeit her den Sohn und lässt den Heiligen Geist hervorgehen. Er ist „Wurzel und Quelle des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Basilius der Große, 24. Predigt, gegen die Sabellianer, Arius und die Anomöer, Migne PG 31, 609).
    • Der Sohn hat also seinen Grund im Vater, denn er ist ja „vor aller Zeit“ (Credo) durch diesen gezeugt,
    • und auch der Heilige Geist hat seinen Grund im Vater, denn er ist ja aus diesem hervorgegangen – wiederum anfangslos und zeitlos;
    • der Vater aber hat keinen Ursprung oder Grund (griechisch aitios), er ist sich selbst Grund.
  • Der Vater ist ungezeugt und ursprungslos, der Sohn ist gezeugt, der Heilige Geist hervorgebracht – allein in diesen unmittelbaren Eigenschaften besteht der geheimnisvolle und doch wirkliche Unterschied der drei Hypostasen.
  • So beschreibt es Johannes von Damaskus: „Nur in diesen persönlichen Eigentümlichkeiten unterscheiden sich die heiligen drei Personen voneinander. Nicht durch die Wesenheit, sondern durch das Merkmal der eigenen Hypostase sind sie ohne Trennung unterschieden.“ (Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens, I, 8; BKV I, 44: 22)
  • Ebenso: „Unterscheidungsweise [sind in Bezug auf die göttlichen Personen] die Ausdrücke: Vater, Sohn, Geist, […], ungezeugt, gezeugt und hervorgegangen [zu gebrauchen]. Denn diese bezeichnen nicht das Wesen, sondern die gegenseitige Beziehung und die Seinsweise.“ (Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens, I, 10; BKV I, 44: 29)

In welchem Sinne geht der Heilige Geist allein vom Vater aus?

  • Der ewige Ausgang des Heiligen Geistes, sprich: sein Hervorgehen, geschieht allein vom Vater (Joh 15,26).
  • Davon zu unterscheiden ist die Aussendung des Heiligen Geistes in die Welt, denn diese geschieht vom Vater durch den Sohn (Joh 15,26) bzw. vom Vater in des Sohnes Namen [Joh 14,26].
  • Dann – und nur dann –, wenn man unter ,Ausgang‘ lediglich die zeitliche Sendung des Geistes in die Welt versteht, kann man von einem Ausgang des Geistes aus dem Vater durch den Sohn bzw. einen Ausgang des Geistes aus dem Vater und dem Sohn sprechen.

Was lehrt Johannes von Damaskus über die Beziehung des Heiligen Geistes zum Vater und zum Sohn?

  • „Gleicherweise glauben wir auch an ,an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht‘ (Credo) […] Er geht vom Vater aus, wird durch den Sohn mitgeteilt und von jeglichem Geschöpf empfangen.“ (Johannes von Damaskus, Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens, I, 8; BKV I, 44: 21-22)
  • „Dagegen behaupten wir nicht, dass er aus dem Sohne ist. […] Auch bekennen wir, dass er uns durch den Sohn geoffenbart worden ist und mitgeteilt wird.“ (Johannes von Damaskus, Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens, I, 8; BKV I, 44: 27).
  • „Der Heilige Geist ist der [Geist] Gottes und des Vaters, insofern er aus ihm hervorgeht; ferner wird er auch [Geist] des Sohnes genannt, insofern er durch ihn erschienen ist und der Schöpfung mitgegeben wird, aber nicht aus ihm das Dasein hat.“ (Johannes von Damaskus, Predigt zum Karsamstag, Migne PG 96, 605).

Was ist das Filioque – und was lehren die altkatholischen Kirchen dazu?

  • [Filioque ist lateinisch „und dem Sohn“ und meint den entsprechenden Zusatz im dritten Artikel des Glaubensbekenntnisses des Konzils von Nizäa-Konstantinopel (381) [ratifiziert auf dem Konzil von Ephesus 431], wo es heißt: „Wir glauben an den Heiligen Geist, … der aus dem Vater [!] hervorgeht.“ Die Konzilsväter hatten zu Beginn des dritten Artikels offenbar – so wie auch jeweils zu Beginn der ersten beiden Artikel des Credo (die sich mit dem Vater und dem Sohn befassen) – die ewigen Beziehungen der göttlichen Hypostasen bzw. Personen im Blick.]
  • [Ähnliche Formulierungen wie das filioque finden sich zwar auch bei älteren lateinischen Vätern, im Credo begegnet es aber erst im 5. Jahrhundert in Spanien, wo die Gottheit des Sohnes (gegen die Arianer) verteidigt werden musste. Die fränkischen Herrscher forderten seine Einführung in der ganzen westlichen Kirche; der römische Papst aber widersprach noch 809!]
  • „Wir lehnen darum den Zusatz des filioque, der im Westen während des 11. Jahrhunderts ohne Anerkennung durch ein ökumenisches Konzil gemacht wurde, mit Entschiedenheit ab. Diese Ablehnung bezieht sich nicht nur auf die unkanonische Weise der Hinzufügung, trotzdem schon diese Form einen Verstoß gegen die Liebe als das Band der Einheit darstellt. Wir weisen vielmehr entschieden auch jede theologische Lehre ab, die den Sohn zur Mitursache des Geistes macht.“ (Glaubensbrief der Internationalen Altkatholischen Bischofskonferenz an den Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I., IKZ 61 (1971), Nr. 2: 66)
  • „Ferner halten wir daran fest, dass es in der allerheiligsten Dreifaltigkeit nur ein Prinzip und eine Quelle gibt, nämlich den Vater.“ (Erklärung der Internationalen Altkatholischen Bischofskonferenz zur Filioque-Frage, IKZ 61 (1971), Nr. 2: 66)

Fortsetzung folgt: II/1–2 Christologie.

Theologisches Symposium der Union von Scranton

Wie schon im vergangenen Februar, so fanden sich auch vom 7.-9. Februar 2020 wieder hochrangige Delegationen der Mitgliedskirchen der altkatholischen Union von Scranton und ausgewählter ökumenischer Partner zu Gast in Südwestdeutschland ein, um über aktuelle pastoraltheologische und ökumenische Fragen zu beraten. Die Leitfrage für die Teilnehmer aus Nordamerika, Norwegen, England, Deutschland und Italien lautete ebenso schlicht wie dringlich: How can we survive the present crisis of the Christian faith?

Das Thema wurde aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven in zahlreichen Diskussionen sowie in diversen Vorträgen reflektiert; Referenten waren u.a. Archidiakon Dr. Jeremy Boccabello (von der anglo-katholischen Diocese of the Holy Cross), der nordisch-katholische Bischof Dr. Roald Nikolai Flemestad und der Generalsekretär der Union von Scranton, Erzpriester Robert M. Nemkovich Jr. Zu Gast waren unter anderen Erzbischof Dr. Anthony A. Mikovsky (leitender Bischof der Polnisch-Katholischen Nationalkirche von Amerika, PNCC), Bischof Bernard Nowicki (Diözesanbischof der Central Diocese der PNCC), der designierte nordisch-katholische Bischof und derzeitige Generalvikar Ottar Mikael Myrseth samt weiteren hochrangigen norwegischen Gästen — ferner aus der Anglikanischen Kirchengemeinschaft der Kirchenjurist und Bischof Dr. Kevin Donlon sowie Bischof Gerald Schnackenberg.

Ein besonderer Höhepunkt des Tagungsprogramms war ein kurzer Ausflug zum Mainzer Dom, um dort in der neunhundert Jahre alten Gotthard-Kapelle das Offizium in englischer und deutscher Sprache zu feiern. Dem Mainzer Diözesanbischof Prof. Dr. Peter Kohlgraf gilt unser herzlichster Dank für die Ermöglichung dieser intensiven geistlichen Erfahrung!

Laudes im Mainzer Dom, Gotthard-Kapelle

Die Eucharistiefeier zum Sonntag Septuagesimae wurde von der Nordisch-Katholischen Mission in Deutschland unter Leitung von Bischofsvikar Prof. Herzberg als Zelebrant gestaltet; als Kantor und Organist wirkte Pfarrer Lauritz Elias Pettersen. Unter den Konzelebranten war neben Bischof electus Ottar Myrseth auch Pfarrer Dieter Kniese, der zu den dienstältesten altkatholischen Priestern in Deutschland zählt. Die Predigt — über Jesu Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg — hielt Erzbischof Dr. Mikovsky persönlich.

Inhaltlich geplant wurde das Symposium maßgeblich von Bischof Dr. Flemestad; die organisatorische Hauptverantwortung lag bei Archidiakon Dr. Daniel Gerte. Das Martinuswerk e.V. gewährte einen Zuschuss zur Tagung und war vor Ort durch seinen Schatzmeister, Dipl.-Ing. Michael Berghoff, vertreten.

Deo gratias!

Martinuswerk unterstützt Hospiz in Soest

Gebet und Spende für das Christliche Hospiz Soest

Am vergangenen Freitag, den 31. Januar 2020, besuchte der Vorsitzende des Martinuswerks e.V., Archidiakon Dr. Daniel Gerte, das Christliche Hospiz Soest gGmbH. Dort überreichte er eine Spende des Martinuswerks und führte ein einstündiges Gespräch mit dessen Leiterin, Frau Angelika Köster, zwecks Erfahrungsaustausch zu Glaube und Spiritualität in der Seelsorge. Ein Gebet im Raum der Stille für alle Patienten und Mitarbeiter des Hauses beschloss den Besuch.

Das beim Amtsgericht Arnsberg als gemeinnütziger Verein eingetragene Martinuswerk ist der deutsche Förderverein der altkatholischen Union von Scranton. Dessen Vorsitzender Dr. Daniel Gerte ist zugleich Priester und Archidiakon der Nordisch-Katholischen Mission in Deutschland, einer 2012 gegründeten Missionspfarrei der Union von Scranton unter der bischöflichen Aufsicht von Bischof Dr. Roald Nikolai Flemestad (Oslo).

Paulus: Eiferer für die Sache Jesu, um der Menschen willen

Gedanken von Gabriele Gerte und F. Irenäus Herzberg

Apostel Paulus: Mosaik, Oratorium Sant’Andrea, Ravenna, 5. Jh.

Am 25. Januar feiert die Kirche das Fest der Bekehrung des heiligen Paulus von Tarsus. Ein Anlass, sich etwas näher mit diesem Glaubenszeugen zu beschäftigen: Wer war Paulus eigentlich?

Geschichtlich gesichert ist folgendes:

Saulus, später als Paulus bekannt, war ein gebildeter, vermögender und gesetzestreuer Jude mit römischem Bürgerrecht. Er war der griechischen, aramäischen und hebräischen Sprache mächtig und studierte als Schüler des Gamaliel in Jerusalem. Er gehörte als eifriger gesetzestreuer Jude zu den Pharisäern – jener Fraktion, die eine strenge Befolgung der mosaischen Gesetze und aller übrigen jüdischen Traditionen lehrte (vgl. z.B. Mk 7,5.13). Es ist bekannt, dass er hartnäckig die Christen verfolgte und bereits zur Steinigung des Stephanus Beihilfe leistete (vgl. Apg 7,58).

Dann aber geschah etwas völlig Unerwartetes: Auf einer Reise nach Damaskus, die ebenfalls der Christenverfolgung dienen sollte, hatte er eine Erscheinung Jesu:

Während er nun so dahinzog und schon in die Nähe von Damaskus gekommen war, umstrahlte ihn plötzlich ein Lichtschein vom Himmel her; er stürzte zu Boden und vernahm eine Stimme, die ihm zurief: »Saul, Saul! Was verfolgst du mich?« Er fragte: »Wer bist du, Herr?« Jener antwortete: »Ich bin Jesus, den du verfolgst! Doch stehe auf und geh in die Stadt hinein: dort wird dir gesagt werden, was du tun sollst!« Saulus erhob sich dann von der Erde; obwohl jedoch seine Augen geöffnet waren, konnte er nichts sehen: an der Hand musste man ihn nach Damaskus hinführen, und er war drei Tage lang ohne Sehvermögen; auch aß und trank er nichts.

(Apg 9,3-6.8.9)

Ein in Damaskus lebender Jünger namens Hananias legte ihm die Hände auf und sprach:

»Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist: du sollst wieder sehen können und mit heiligem Geist erfüllt werden.« Da fiel es ihm sogleich von den Augen ab wie Schuppen: er konnte wieder sehen, stand auf und ließ sich taufen. Einige Tage war er nun mit den Jüngern in Damaskus zusammen; dann predigte er sogleich in den dortigen Synagogen von Jesus, dass dieser der Sohn Gottes sei.

(Apg 9,17-18.19b.20)

Was für ein gewaltiges, unbeschreibliches, beeindruckendes und umwälzendes Erlebnis muss Saulus widerfahren sein, dass er sein bisheriges Leben und seine Lebensweise aufgab und sprichwörtlich sein Leben auf den Kopf stellte?! Dieses Erlebnis hat ihm quasi den Boden unter den Füßen weggezogen. Alles was vorher war und zählte (Reichtum, Macht, Gesetzestreue usw.) „sah“ er plötzlich nicht mehr. Er war wie umgewandelt, wie neugeboren, neugeboren im Licht Jesu. Der Herr hat ihn tief beeindruckt, seine Worte und seine Lehren waren für ihn, den gläubigen Juden, nun das Maß aller Dinge. Er verinnerlichte seine Lehre so sehr, dass er, wie auch Jesus, den Menschen sogar über das mosaische Gesetz stellte. Anstatt die Jünger Jesu zu verfolgen, wurde er nun selbst ein Verkünder Jesu. Er fühlte sich als Apostel berufen (u.a. 2. Kor 13,10, Gal 1,1.12), alle Menschen, auch Nicht-Juden („Heiden“), zu bekehren.

Diese Heidenmission, ursprünglich begonnen durch Petrus (Apg 10,44ff, 15,14), brachte ihm jedoch schon recht bald Ärger mit einigen Judenchristen ein. Für diese zählte nämlich die Beschneidung der Männer und die Einhaltung der übrigen mosaischen Gesetze – einschließlich der Ritualgesetze – zur unbedingten Voraussetzung, um Christ zu werden (u.a. Apg 15,1.5; 16,3). Paulus konnte diese Position eigentlich sehr gut nachvollziehen, war er doch selbst einst „Eiferer für die von den Vätern überkommenen Überlieferungen“ (Gal 1,14) gewesen – jenen Überlieferungen, die sogar einen „Zaun um das Gesetz“ (so das geflügelte rabbinische Wort) legen wollten, damit es ja nicht übertreten werde. Doch nun hatte Paulus erkannt: Es geht Gott zuallererst um den Menschen, welchen er ja nach seinem Bilde erschaffen hat (Gen 1,27) und dem er Orientierung, Anleitung zu einem gelungenen Leben geben will. Als Jünger Jesu hatte Paulus verstanden: Das Gesetz ist für den Menschen da und nicht umgekehrt (Mk 2,27).

Muss man trotzdem zunächst ein frommer Jude wie Jesus, Maria und die ersten Jünger sein, bevor man Christ werden kann? Diese wichtige Frage wurde auf dem Apostelkonzil von Jerusalem, gleichsam der ersten Synode der Kirchengeschichte, verhandelt. Paulus war mit der Mehrheit der Apostel und insbesondere Jakobus der Ansicht, dass man die Einhaltung des mosaischen Ritualgesetzes wie etwa die Beschneidung nicht von den Nicht-Juden verlangen könne (u. a. Apg 15,19). Lediglich die wenigen heidnischen Bräuche, durch welche die Tischgemeinschaft von Heidenchristen und gesetzestreuen Judenchristen auf Dauer unmöglich würde (nämlich der Verzehr von blutigem, ersticktem oder auf Götzenaltären geopferten Fleisch – sowie eheähnliche Beziehungen zwischen nahen Verwandten), wurden den Heidenchristen untersagt; für diese Entscheidung berief man sich ausdrücklich auf den Beistand des Heiligen Geistes (Apg 15,28f).

In seinem berühmten Brief an die Kirche von Rom, die er um Unterstützung für eine Missionsreise ins ferne Spanien ersuchte (Röm 15,24), führte Paulus diese Einsicht noch weiter, indem er schrieb: „Wir halten dafür, dass der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt werde ohne Gesetzeswerke.“ (Röm 3,28) Hier geht es nun nicht allein um das rechte Verständnis des mosaischen Ritualgesetzes. Nein, es geht, wie die vorangehenden Verse zeigen (Röm 3,23-25), um noch viel mehr – um eine letztlich alles entscheidende Botschaft für die Menschen aller Zeiten und Kulturen: Dass nämlich Gott, welcher in Christus selbst Mensch geworden ist, jeden Menschen annimmt und rechtfertigt, der wirklich an ihn glaubt – d.h. tatsächlich jeden, der auf die von Jesus (am Kreuz) erworbene Erlösung vertraut. Wenn Gott eines Tages unser Leben beurteilt, kommt es also nicht darauf an, ob „unsere guten Taten unsere bösen Taten aufwiegen“ – sondern darauf, dass wir in diesem Leben auf Jesus Christus vertraut haben.

Natürlich führt der echte Gottesglaube notwendigerweise dazu, Gott und die von ihm geschaffenen Menschen zu lieben – und sich dafür an den guten Geboten Gottes zu orientieren. Doch auch wer erst am Lebensende seine Lieblosigkeit erkennt, bereut und auf die Barmherzigkeit Gottes durch Jesus Christus vertraut, wird um dieses Glaubens willen von Gott gerechtfertigt und im Endgericht gerettet. Das wohl berühmteste Beispiel hierfür findet sich in der Gestalt des „Schächers“ am Kreuz (Lk 23,38-43).

Doch zurück zur Person des Paulus: Blieb er zeitlebens ein Eiferer? Nun, gewiss nicht mehr im Sinne des Eifers für jegliche jüdische Überlieferung. Als Eiferer bezeichnet man jedoch im eigentlichen Sinne des Wortes eine Person, die sehr zielstrebig vorgeht, um sich ganz und ungeteilt für ein bestimmtes Anliegen einzusetzen. Dies trifft auf Paulus gewiss zu: Er war von Jesu Lehre und Leben derart überzeugt, dass er unbeirrt und unter größten Schwierigkeiten (Widerstand der Juden, Prügel, Steinigung, Gefängnisaufenthalte, Krankheit, Hunger, Schiffbruch usw., 2 Kor 11, 23-28) weite Reisen in ferne Länder (Kleinasien, Griechenland, Italien, ggf. Spanien usw.) auf sich nahm, um den rettenden Glauben an Jesus Christus zu verbreiten. Für die Sache Jesu war Paulus gewiss ein Eiferer, aber stets aus Liebe zu den Menschen.

Fazit

Paulus war ein unermüdlicher Eiferer in der Verkündigung des Evangeliums und der Lehre Jesu. Für Jesus Christus nahm er alle Strapazen und Konfrontationen auf sich. Seine Reden waren provozierend, ja oft sogar recht barsch und ruppig, gelegentlich mit scharfer Ironie, mit eigentümlicher Demut trotz allem Sendungsbewusstsein. Unbeirrt und unerschrocken vertrat er seine Glaubenslehre. Ihm war wichtig, dass alle Menschen seine Reden hörten und somit die Chance erhielten zum Glauben an Jesus Christus zu kommen. Paulus war überzeugt, dass nur der Glaube an Jesus und seine Heilslehre die Menschen retten und erlösen können. Die Gebote Jesu, wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Vergebung, waren für ihn nun das Maß aller Dinge. Die Einhaltung der mosaischen Gesetze galt ihm nicht mehr als Voraussetzung dafür, dass ein Mensch den Glauben annehmen und Christ werden kann. Allein der Glaube an Jesus und ein Leben nach seinen Lehren waren für ihn maßgeblich. Dafür setzte er sich ein und stritt sich mit manchen Gemeindevorstehern der Judenchristen und auch mit weltlichen Herrschern. Es ist zu betonen, dass Paulus bei seiner Glaubensverkündigung nie Druck, geschweige denn Gewalt anwandte, obwohl er selbst Gewalt erfuhr. Trotz aller Widrigkeiten (Krankheit, Verfolgung und Gewalt) verfolgte er unbeirrt sein Ziel, möglichst viele Menschen zum Glauben an Jesus zu führen. Er bereiste dazu viele Länder bis zu seinem Märtyrertod und, wie die Geschichte zeigt, mit Erfolg. Paulus gilt heute als Mitbegründer der Christenheit. Sein Einsatz war nicht umsonst. Paulus, der Eiferer, Provokateur und Streiter für die Sache Jesu ist bis heute unvergessen.

Ein frohes, gesegnetes Christfest

[Giotto di Bondone, ca. 1305: Anbetung der Weisen]

… sowie ein glückliches Jahr 2020
unter der Führung und dem Schutz
des menschgewordenen, menschenliebenden Gottes

wünschen wir, herzlich dankend für alle Verbundenheit,
all unseren Mitgliedern, Interessenten und ökumenischen Freunden!

Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, 
dass er seinen einzigen Sohn hingegeben hat, 
damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, 
sondern ewiges Leben haben.

Johannesevangelium 3,16

Katechetische Notizen zur orthodox-altkatholischen Lehre I/2

Papyrus 75 (Bodmer XIV-XV): Beginn des Johannesevangeliums, ca. 200 n.Chr.

Wir dokumentieren hier in unregelmäßigen Abständen die Notizen zur Katechesenreihe (von Bischofsvikar F. Herzbergüber das orthodox-altkatholische Konsensdokument Koinonia auf altkirchlicher Basis (Hrsg. Urs von Arx; Sonderheft zu IKZ 79/4, 1989). Zuvor erschien Teil I/1 Die göttliche Offenbarung und ihre Überlieferung (samt einigen Vorbemerkungen).

I/2 Der Kanon der Heiligen Schrift

Wie gliedert sich die Heilige Schrift?

  • In die „Bücher“ des Alten Testaments und des Neuen Testaments.
  • [Lateinisch testamentum = Bund, vgl. z.B. 2 Kor 3,14 laut Vulgata – d.i. Hieronymus‘ Bibelübersetzung (382-405, als man Griechisch in Rom nicht mehr verstand).]

Was galt der frühen Kirche als Bibel des Alten Bundes (Testaments)?

  • Die Bibel der ersten Christen, sowohl hellenistischer Judenchristen als auch Heidenchristen, war die Septuaginta [lateinisch für 70, abgekürzt: LXX, die – der Legende nach von anfangs 70 Gelehrten angefertigte – griechische Übersetzung heiliger Schriften des Judentums (3. Jh. v.Chr. bis 1. Jh. n.Chr.)].
  • [Wenn das Neue das Alte Testament zitiert, geschieht dies meist aus LXX. Die Judenchristen des Heiligen Landes lasen den (hauptsächlich) hebräischen Urtext mit aramäischer Lesehilfe (Targum).]
  • Die LXX enthält zusätzlich zum hebräischen Kanon zehn weitere Schriften, die im Westen deuterokanonisch genannt werden, in manchen protestantischen Traditionen auch Apokryphen („verborgene“ Schriften) oder Spätschriften zum Alten Testament. Sie heißen griechisch auch Anagignoskomena; es handelt sich also um „gelesene“ und in einem weiteren Sinne „anerkannte“ Bücher.

(a.) Welches sind die kanonischen Bücher des Alten Testaments [AT]?

  • Der rabbinisch-jüdische Kanon des AT umfasst nach ältester hebräischer Zählweise 22 (Josephus), geläufiger 24 – nach christlicher Zählweise: 39 – Bücher [unterteilt in Tora, Nevi’im, Ketuvim (TNK, zum Akronym vokalisiert als Tanach)], nämlich
    • [5 Bücher Moses, hebräisch Tora = Weisung, griechisch Pentateuch = Fünfrollenbuch:] Genesis, Exodus, Leviticus, Numeri, Deuteronomium;
    • [die „vorderen Propheten“, hebräisch Nevi’im rischonim:] Josua, Richter, Samuel (1. und 2.), Könige (1. und 2.);
    • [die „hinteren Propheten“, hebräisch Nevi’im acharonim:] Jesaja, Jeremia, Ezechiel, Zwölfprophetenbuch (Hosea, Amos, Micha, Joel, Obadja, Jona, Nahum, Habakuk, Zefanja, Haggai, Sacharja, Maleachi);
    • [die (poetischen) ersten drei „Schriften“, hebräisch Ketuvim:] Psalmen, Ijob, Sprichwörter;
    • [die an fünf hohen jüdischen Festen verlesenen „Schriftrollen“, hebräisch Megillot:] Rut, Hohelied, Kohelet/Prediger, Klagelieder, Ester;
    • [weitere Bücher der „Schriften“:] Daniel, Esra und Nehemia, Chroniken (1. und 2.).
  • [Der obige Kanon beruht auf den rabbinischen Lehrentscheidungen von Jamnia, ca. 100 n.Chr.; die Kirche erkennt all diese Bücher als kanonisch an.]
  • Christliche Bibeln folgen jedoch der Anordnung der alten griechischen Übersetzung (Septuaginta/LXX) und gliedern die Bibel in historische, poetische und prophetische Bücher. Hierbei werden Rut (hinter Richter), Chroniken (hinter Könige), Esra, Nehemia, Ester als historische Bücher gezählt, Daniel (hinter Ezechiel, als „großer Prophet“) und Klagelieder (hinter Jeremia) als prophetische Bücher.
  • [Im Vergleich zu ihren hebräisch-aramäischen Versionen sind manche kanonischen Bücher in der Fassung der LXX ausführlicher, z.B. Daniel, Ester, Psalmen (s.u.). Die Zählweise der Psalmen weicht in der LXX zudem etwas ab (meist 1 geringer).]

Was heißt „deuterokanonisch“?

  • Das griechische Wort kanon heißt Maßstab; also heißt „kanonisch sein“ so etwas wie „den Maßstab bilden“ (für theologische Schriften). Die deuterokanonischen Schriften (Anagignoskomena) werden somit von der Kirche als zum Kanon gehörig betrachtet, aber nur in „zweiter Reihe“ (von griechisch deuteros = zweiter, anderer).
  • „Die ,kanonischen‘ Bücher zeichnen sich durch die besondere Autorität aus, welche ihnen die Kirche stets zuerkannt hat; sie hält aber auch die ,Anagignoskomena‘ in Ehren, die seit alters zu ihrem Kanon der Heiligen Schrift gehören.“ [in Urs von Arx (Hrsg.): Koinonia auf altkirchlicher Basis. Sonderheft zu IKZ 79/4, 1989, 48]

Welches sind die deuterokanonischen Bücher des Alten Testaments?

  • Die auch im Westen seit ältester Zeit als deuterokanonisch betrachteten Bücher sind: 1. und 2. Makkabäer, Tobias, Judit, Jesus Sirach, Weisheit, Baruch samt Brief des Jeremia; diese werden in den Kanon eingereiht, die Makkabäer bei den historischen, Baruch bei den prophetischen, die übrigen bei den poetischen Büchern bzw. Weisheitsbüchern.
  • Die orthodoxe Kirche erkennt zudem noch die Bücher 3. Esra (nach westlicher Zählung, etwa in Hieronymus‘ Vulgata; hingegen griechisch: 1. Esra, slawisch: 2. Esra) und 3. Makkabäer an.
  • Darüber hinaus erkennt die orthodoxe Kirche weitere Zusätze zu den kanonischen Büchern als deuterokanonisch bzw. Anagignoskomena an, z.B. das Gebet Manasses (enthalten sogar in zwei wichtigen reformatorischen Bibeln: Lutherbibel und King James Version, teils auch im Anhang katholischer Bibeln) oder Psalm 151.
  • [Der alttestamentliche Kanon der orientalisch-orthodoxen Kirchen weicht hiervon so gut wie nicht ab. Allerdings kennt die äthiopische Kirche zusätzlich zu den üblichen kanonischen und deuterokanonischen Schriften noch weitere antike jüdische und christliche Bücher, die sie als „kanonisch im weiteren Sinne“ bezeichnet.]­

(b.) Welches sind die Bücher des Neuen Testaments [NT]?

  • Das NT enthält 27 Bücher [größtenteils und vermutlich sogar in Gänze aus dem 1. Jh. n.Chr.], nämlich folgende (Abkürzungen der Bücher gemäß Loccumer Richtlinien):
    • die sogenannten synoptischen Evangelien: Mt, Mk, Lk [mit unterschiedlichen Adressaten, unterschiedlichen Schwerpunkten und höchstwahrscheinlich unterschiedlichem Alter, aber sehr ähnlichem Aufbau; eine literarische Abhängigkeit der Evangelien Mt und Lk von Mk sowie einer hypothetischen Quelle (Q) mit Jesus-Worten (Logien, nach Art des apokryphen „Thomasevangeliums“?) wird zwar vermutet, es fehlt aber nach wie vor ein Beweis in Form eindeutiger Textzeugen für die Existenz von Q];
    • das Joh-Evangelium [zumeist als jünger angesehen; als Evangeliar geordnet?];
    • die Apg des Lukas [zweiter Teil des sog. lukanischen Doppelwerks (= Lk+Apg)];
    • die Paulusbriefe (ca. 50-60 n.Chr.) – darunter die sog. Hauptbriefe: Röm, 1+2 Kor, Gal, ferner auch Eph, Phil, Kol, 1+2 Thess, Pastoralbriefe (1+2 Tim, Tit), Phlm, Hebr [es gibt gewisse Indizien dafür, dass Eph, Kol, 2 Thess, und die Pastoralbriefe im Namen oder Auftrag des Apostels Paulus von seinen Schülern oder Mitarbeitern niedergeschrieben wurden (also pseudepigraphisch sind); Hebr nennt keinen Verfasser];
    • die katholischen Briefe – Jak, 1+2 Petr, 1+2+3 Joh, Jud [„katholisch“, d.h. allgemein, da sie keine Adressaten nennen; die drei letzten sind sehr kurz];
    • die Offb [deren Kanonizität (wie Hebr, 2 Petr, 2+3 Joh, Jud) erst umstritten war].
  • [Die Ursprache des gesamten Neuen Testaments ist Koine-Griechisch. Es gibt die Theorie, dass das an Juden gerichtete Mt-Evangelium zunächst auf Hebräisch oder Aramäisch verfasst wurde, so schon die Kirchenväter Eusebius und Papias. Aber es fehlen Textzeugen, die dies klar belegen würden; auch das Mt-Evangelium in der syrisch-aramäischen Peschitta ist wohl deutlich jünger als die ältesten griechischen Handschriften von Mt.]
  • [Schon im 2. Jh. gab es bereits beträchtliche Einigkeit über den Umfang des NT: Das Schriftstück namens Canon Muratori sowie Irenäus von Lyon und Tertullian haben fast den gleichen Kanon wie wir heute – gegen z.B. Marcion. Origenes berichtet 230 gleichwohl noch von Diskussionen über die o.g. Bücher; es gab einst auch Kandidaten für den Kanon des NT, die dann letztlich doch nicht aufgenommen wurden (z.B. Apostellehre/Didache, 1. Clemensbrief oder Hirt des Hermas). Doch allerspätestens 367 (39. Brief des Athanasius) war die Kanonbildung abgeschlossen.]
  • [Kriterien für die Aufnahme einer Schrift in den Kanon waren ihr Alter und die Abfassung durch einen Apostel oder dessen nächstes Umfeld (z.B. Markus als Mitarbeiter des Petrus, 1 Petr 5,13; Lukas als Arzt und Reisebegleiter des Paulus, Apg 16,10f, 2 Tim 4,11, Phlm 24).]
  • [Es gibt wohl keinen antiken Text, für den es auch nur annähernd so viele alte Textzeugen gäbe wie für das NT. Kritische Ausgaben des NT (z.B. Nestle/Aland) zeigen, dass die Unterschiede der Lesarten sehr selten theologisch relevant sind – und dann i.d.R. nur dergestalt, dass eine Aussage, die in einer anderen Perikope einmütig bezeugt ist, an einer inhaltlich verwandten Stelle wiederholt wird. Z.B. ist die theologische Botschaft von Joh 8,1-11 (Jesus vergibt und ruft zur Umkehr), obgleich dieser Abschnitt in den ältesten bekannten Manuskripten von Joh fehlt, anderswo vielfach bezeugt; Gleiches gilt für Mk 16,9ff (Auferstehungsbericht samt Missionsbefehl, z.B. Mt 28); ebenso folgt der in der Textkritik als comma Iohanneum bekannte trinitarische Einschub in 1 Joh 5,7f umstandslos aus anderen – aus historisch-kritischer Sicht übrigens recht frühen – Aussagen des NT über Gottes Dreifaltigkeit (z.B. Mt 28,20, Joh 1,1.14, 2 Kor 13,13).]

Fortsetzung folgt: I/3 Die Heilige Dreifaltigkeit.

„Eine Messe lesen lassen“

Triumphkreuz: Kirche San Damiano, Assisi, ca. 1100

Die namentliche Fürbitte für Lebende und Verstorbene im öffentlichen Gottesdienst der Kirche ist seit ältester Zeit fester Bestandteil christlicher Frömmigkeit. Der heilige Kirchenvater Cyprian von Karthago (200-258) berichtet vom namentlichen Gebet für verstorbene Christen als selbstverständlichem Bestandteil der Eucharistiefeier — ebenso auch das Sakramentar des ägyptischen Bischofs Serapion von Thmuis (4. Jh.). Schon die Synode von Elvira (ca. 305) erwähnt zudem die namentliche Fürbitte für Lebende.

Eine besondere namentliche Fürbitte findet nicht zufällig während der zentralen Momente der Eucharistiefeier statt, wenn das von Christus am Kreuz zu unserer Erlösung dargebrachte Opfer vergegenwärtigt wird. Denn durch die Gabenbereitung und das eucharistische Hochgebet vereinigt sich ja die versammelte Gemeinde bereits auf geheimnisvolle Weise mit dem Kreuzesopfer Christi, dessen Leib und Blut sie später im Sakrament empfängt. Und diese innige Verbindung mit Christus, dem Haupt der Kirche — während Offertorium und Hochgebet — führt auch zu einer tieferen Verbindung mit den übrigen Gliedern Seines Leibes, nämlich den lebenden und verstorbenen Christgläubigen aller Zeiten und Orte. Hier ist daher der würdigste und geistlich herausragendste Ort, um öffentlich namentlich für lebende und verstorbene Angehörige des Gottesvolkes zu beten.

Im christlichen Osten sind die Aufzählungen solcher Namen — aufgrund des einst hierfür verwendeten Schreibmaterials — als Diptychen bekannt. Im Westen beschränkt man sich meist auf wenige Namen während ein und derselben Eucharistiefeier — und spricht jeweils von einer Messintention.

Auch in den nordisch-katholischen Eucharistiefeiern wird selbstverständlich für Lebende und Verstorbene auf Wunsch namentlich gebetet. Die lebenden oder verstorbenen Christinnen und Christen, für die in einer heiligen Messe gebetet werden soll, können Sie Ihrem jeweils zuständigen Seelsorger mitteilen oder — auch ohne Kirchenmitgliedschaft — über das entsprechende Formular auf unserer Webseite abgeben. Sogenannte Mess-Stipendien sind jederzeit willkommen und werden mit einer Messkarte — einem repräsentativen schriftlichen Beleg für die in Ihrer Intention gefeierte heilige Messe — beantwortet. Wir beten gerne für Sie und Ihre Angehörigen!

Ökumenische Begegnung am Niederrhein

Der lutherische Bischof Hans-Jörg Voigt (r.) mit Bischofsvikar Herzberg

Am Ewigkeitssonntag, den 24. November 2019, besuchte Bischof Hans-Jörg Voigt DD (Hannover) von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK; Altlutheraner) das in der SELK beheimatete Christliche Centrum St. Matthäus Mönchengladbach (Stadtteil Rheydt). Der nordisch-katholische Bischofsvikar Prof. F. Irenäus Herzberg war als ökumenischer Gast zu dem von Pfarrer Winfried Küttner PhD geleiteten Abendmahlsgottesdienst eingeladen und überbrachte, nach einer freundlichen Begrüßung im Gottesdienst, an Bischof Voigt herzliche Grüße und Segenswünsche von Bischof Dr. Roald Nikolai Flemestad (Oslo).

Bischof Voigt predigte über Mt 25,1-13 und erläuterte hierzu zunächst den historischen Hintergrund der Perikope in Form der spätjüdischen Hochzeitsbräuche. Im zentralen Predigtschritt deutete er — getreu der lutherischen hermeneutischen Unterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium — das Lampen-Öl in diesem Himmelsreich-Gleichnis Jesu als die persönliche, in der fides qua creditur gründende Gottesbeziehung. Schließlich betonte Bischof Voigt, dass das Gleichnis natürlich auch an seine Grenzen stößt: Das „Öl“ des Glaubens nimmt im Gegensatz zum Lampenöl zu, wenn es — etwa durch das Gebet, das Hören auf Gottes Wort und den Empfang der Sakramente — in Anspruch genommen wird.

Im anschließenden Gespräch zwischen Bischof Voigt und Bischofsvikar Herzberg tauschte man sich über aktuelle Entwicklungen in beiden Kirchen aus, darunter insbesondere die beiderseitigen engen Verbindungen zur (konkordienlutherischen) Missionsprovinz in Schweden sowie liturgische Fragen. Da die Wurzeln der nordisch-katholischen Kirche im hochkirchlichen Luthertum Skandinaviens liegen, sind die SELK und die schwedische Missionsprovinz samt den übrigen Mitgliedskirchen des Internationalen Lutherischen Rates ein natürlicher ökumenischer Gesprächspartner — für die Nordisch-Katholische Kirche in Skandinavien wie auch für ihre deutsche Administratur.

So hatte Bischof Flemestad schon vor (fast genau sieben) Jahren Bischof Voigt im Kirchenamt der SELK in Hannover besucht. Die SELK wiederum hat ihre Kirchen für zahlreiche nordisch-katholische Eucharistiefeiern, darunter auch den Gründungs-Gottesdienst der deutschen Administratur im April 2012 in München, ihre Kirchen in brüderlicher Gastfreundschaft geöffnet; seit Jahren darf die westdeutsche nordisch-katholische Mission (Kuratie St. Willibrord) für ihre Düsseldorfer Gottesdienste die Erlöserkirche der SELK nutzen, auch die Primiz von Dr. Daniel Gerte (inzwischen Archidiakon) fand dort statt.

Später sprach Herzberg mit dem finnischen lutherischen Missionar Toni Lindholm, der gemeinsam mit seiner Frau in der Missionsgemeinde der SELK in Mönchengladbach mitarbeitet. Themen waren unter anderem das Luthertum in Finnland und die Seelsorge unter türkischstämmigen Christen.

Generalsynode wählt Ottar Myrseth zum Bischof

Bischof Dr. Roald N. Flemestad (links) und Bischof electus Ottar M. Myrseth
(auf dem Ölgemälde im Hintergrund: Bischof Franciszek Hodur)

Axios! Ad multos annos!

Die Generalsynode der Nordisch-Katholischen Kirche am 25. Oktober 2019 in Gran hat (gemäß § 6.4 der Verfassung der Nordisch-Katholischen Kirche) den Priester Ottar Mikael Myrseth zum Nachfolger von Bischof Dr. Roald Nikolai Flemestad gewählt. Der Gewählte, der unter anderem auch Deutsch spricht, ist seit 2011 nordisch-katholischer Generalvikar für ganz Skandinavien und zugleich Dechant des Dekanates Selja (= Propstei für Westnorwegen).

Geboren 1951, studierte Ottar Myrseth Theologie in Oslo und wurde 1978 zum Pfarrer der norwegischen lutherischen Staatskirche ordiniert. 23 Jahre lang war er Gemeindepfarrer in Oslo und Spjelkavik sowie Stiftskaplan des Bischofs in Molde (Bistum Møre). Ebenfalls innerhalb der lutherischen Staatskirche leitete er die theologisch konservative Bewegung Samråd på Kirkens Grunn (Konsultation zu den Grundlagen der Kirche); bis heute schreibt er u.a. für die norwegische christliche Zeitung Dagen. 2001 konvertierte Pfarrer Myrseth zum Altkatholizismus — durch die norwegische Administratur der Polnisch-Katholischen Nationalkirche (PNCC), damals bereits bekannt als Nordisch-Katholische Kirche. Im selben Jahr wurde er durch Bischof Thaddeus S. Peplowski zum Priester in apostolischer Sukzession geweiht.

Die synodale Wahl wird nun (gemäß der Statuten der Union von Scranton, Abschnitt C, Artikel 8) den Mitgliedern der Internationalen Katholischen Bischofskonferenz der Union von Scranton durch deren Vorsitzenden, Erzbischof Dr. Anthony A. Mikovsky, förmlich mitgeteilt; sofern die Mitglieder der Bischofskonferenz keine Einwände erheben, muss sich der Gewählte schriftlich zur Erklärung von Scranton und den Statuten der Union von Scranton bekennen. Die darauf folgende Konsekration in Scranton (Pennsylvania) sowie die anschließende Inthronisation in Oslo sind für das Frühjahr 2020 geplant.

Nota bene: Die skandinavische Bischofswahl hat auf absehbare Zeit keine unmittelbaren Auswirkungen auf das kirchliche Leben in Deutschland. Denn: Die Nordisch-Katholische Mission in Deutschland ist eine Missionspfarrei der Union von Scranton, welche direkt der Internationalen Katholischen Bischofskonferenz unterstellt ist (gemäß der Statuten der Union von Scranton, Abschnitt C, Artikel 3 (i)). Daher bleibt Bischof Dr. Roald N. Flemestad der für die deutsche Missionspfarrei zuständige Bischof, so lange wie die Internationale Katholische Bischofskonferenz keinen anderen Bischof hierfür delegiert.

Danke!

Gedanken von Gabriele Gerte

In den letzten Tagen haben wir das Erntedankfest gefeiert. Wir danken Gott für die Gaben der Ernte. Es ist nicht selbstverständlich die Früchte dieser Erde zu erhalten. Oft wird die Ernte durch schlechtes Wetter, sogar Unwetter oder andere Katastrophen bedroht. Dann werden die Nahrungsmittel knapp. Unseren Eltern und Großeltern sind solche Hungerjahre noch ein Begriff. Hunger ist auch heute noch auf unserer Erde, besonders in der dritten Welt, ein großes Problem. Sattwerden ist nicht selbstverständlich und darum haben wir einen triftigen Grund Danke zu sagen.

Überhaupt danken: Warum bedanken wir uns so wenig? Vieles scheint uns selbstverständlich. Aber nichts ist selbstverständlich: Unser Leben, unsere Gesundheit, unsere Umwelt, in die wir hinein geboren werden, unsere Familie, unsere Kinder, unsere Freunde und Bekannten. Manche bezeichnen sich als „Macher“. Sie „machen oder schaffen“ sich ihr Leben (so meinen sie jedenfalls). Viele erlernen einen Beruf nur aus dem Grund, um damit möglichst viel Geld verdienen und ein Luxusleben führen zu können. Und? Sind sie dann mit ihrem „Machen“ zufrieden? Oder der Kinderwunsch. Es gibt immer noch kinderlose Paare, für die sich dieser Wunsch, trotz medizinischen Fortschritts, nicht erfüllt. Viele Leute leben nach dem Gesundheitswahn. Sie geben viel Geld für ihre Gesundheit aus. Trotzdem erkranken sie. Viele verfallen dem Schönheitswahn. Sie tun und machen. Aber vieles lässt sich eben nicht machen. Es ist schon seltsam, warum gerade Personen in gehobenen, guten Verhältnissen, „Macher“, oft vom „Burn Out“ betroffen sind. Es ist also doch nicht alles machbar. Das Wohlbefinden, Gefühle, Gesundheit etc. können wir nicht einfach herstellen.

Erdung ist hier das Wort der Stunde. Machen wir uns klar, dass nicht alles machbar ist. Dies zu begreifen macht Angst aber es befreit auch. Besinnen wir uns auf die wirklich wichtigen Dinge in unserem Leben. Seien wir dankbar für die kleinen, oft unscheinbar wirkenden Dinge, wie z.B. für einen lieben Gruß, dass wir ein Dach über dem Kopf haben, zu essen haben, wir und unsere Lieben gesund sind, gute Bekannte haben, in einem Land leben dürfen, wo kein Krieg herrscht. Werden wir demütig und lernen zu danken, z.B. für einen schönen Tag, den wir erleben durften, dass wir wieder gesund geworden sind, für ein schönes Essen, für eine Reise und die gute Heimkehr und vieles mehr. Es gibt tausend Gründe zu danken. Nichts ist selbstverständlich. Das wirklich Wichtige in unserem Leben ist nicht machbar. Wir müssen lernen auf Gott und sein Wirken zu vertrauen. „Herr dein Wille geschehe, im Himmel wie auf Erden.“

Wer einmal schwer erkrankt war, kann erahnen wovon ich spreche. Die Welt wird auf einmal so klein, die „großen Dinge“ so unwichtig und die kleinen Dinge wichtig. Ein freundliches Wort. Ein guter Tag. Ein guter Freund. Wir lernen wieder zu schätzen was wirklich zählt.

Lernen wir zu danken, schon für die kleinen, unscheinbaren (nicht selbstverständlichen) Dinge. Wir werden dadurch sensibler und bewusster für viele Dinge in unserem Leben.

Wie soll ich dem HERRN vergelten
alles, was er mir Gutes getan?
Den Becher des Heils will ich erheben
und den Namen des HERRN anrufen

Psalm 116,12f